Comedy

»Ich bin halt ein Arschloch«

Larry David über Menschenfeinde, das Älterwerden und die neue Staffel von »Curb Your Enthusiasm«

von Julia Manfredi  26.02.2018 16:24 Uhr

»Seinfeld«-Erfinder, Regisseur und Komiker Larry David (70) Foto: Getty Images

Larry David über Menschenfeinde, das Älterwerden und die neue Staffel von »Curb Your Enthusiasm«

von Julia Manfredi  26.02.2018 16:24 Uhr

Larry David schrieb zusammen mit Jerry Seinfeld einst Fernsehgeschichte. Für viele ist Seinfeld bis heute die beste Sitcom, die je gedreht wurde. Erfolgreich ist der Komiker, Drehbuchautor und Schauspieler aber auch mit der Comedy-Serie Curb Your Enthusiasm (Lass es, Larry!), deren neunte Staffel nach sechsjähriger Pause nun auch in Deutschland angelaufen ist. In der formal halbdokumentarischen Serie spielt David eine überzeichnete Version seiner selbst: einen steinreichen, chronisch schlecht gelaunten und neurotischen jüdischen TV-Produzenten aus New York, den es ins sonnige und oberflächliche Los Angeles verschlagen hat. Dort tritt sein querulantischer Charakter in Begegnungen mit Menschen aus seinem Umfeld noch stärker hervor, womit er seinen Mitmenschen gewaltig auf die Nerven geht. Im Interview verrät David den Grund für die späte Fortsetzung der Erfolgsserie. Außerdem spricht der Komiker über den US-Politiker Bernie Sanders und Nazis, mit denen er mehr gemeinsam hat, als so mancher glaubt.

Herr David, Ihre Sitcom-Figur Larry und Sie bleiben auch nach 15 Jahren immer noch unverbesserlich, oder? Wird sich das irgendwann ändern?
(lacht) Nein, nein, das wird auch weiterhin so bleiben. Ich bin halt ein Arschloch. Ich werde unerträglich bleiben. Aber gute erste Frage!

Die achte Staffel von »Curb Your Enthusiasm« lief 2011 aus. Warum bringen Sie die Serie nun zurück?
Warum nicht? Wissen Sie, ich bin keiner, der Dinge oder Menschen sehr vermisst. Aber die Serie und diese Idioten darin habe ich doch vermisst. Also dachte ich: »Was soll’s?!« Außerdem hatte ich die Schnauze voll von Menschen, die mich unentwegt danach gefragt haben, ob die Sendung eines Tages zurückkommt. Ich konnte die Frage nicht mehr hören, war aber nicht bereit für die Antwort: »Die Sendung wird niemals zurückkommen.« Also sagte ich immer: »Vielleicht. Wer weiß? Mal sehen!« Jetzt werde ich wenigstens nicht mehr danach gefragt.

Sind Sie ein Mensch, der sich an Dinge klammert?
Nein, eigentlich nicht. Ich mag es, Dinge aufzugeben. Aufhören ist eine sehr befriedigende Sache. Haben Sie schon mal zu einem Vorgesetzten gesagt: »So, das war’s, ich höre auf! Fahr’ zur Hölle!«? Ich schon. Das macht großen Spaß.

Viele Serien haben versucht, Ton, Stil und Charaktere von »Curb Your Enthusiasm« zu kopieren. Fällt Ihnen das auf?
Ja, ich kann sehr schnell erkennen, wenn jemand ähnliche Sachen macht wie ich.

Fühlen Sie sich geschmeichelt, oder sind Sie eher beleidigt?
Nein, ich bin nicht beleidigt. Das macht das Fernsehen für gewöhnlich: kopieren. Es ist ein redundantes Business.

Hatten Sie Schwierigkeiten, mit der neuen Staffel wieder in den Modus des Serien-Larry zurückzukehren?
Beim ersten Take hatte ich Probleme. Da dachte ich: »Ich kann es nicht mehr! Wie soll ich das nur machen?« Dann schlief ich ein paar Nächte darüber, und plötzlich klappte es. Heute habe ich ein gutes Gefühl bei dem, was wir zustande gebracht haben.

Ihr TV-Larry spielt in seiner Freizeit gerne Golf. Ist das nicht die falsche Sportart für diesen temperamentvoll-cholerischen Charakter? Ist Larry nicht eher ein Tennisspieler, der gern gegen jemanden wie John McEnroe antreten würde?
Ich weiß nicht, ob Ihnen das bewusst ist, aber der TV-Larry ist nur einen halben Zentimeter entfernt vom echten Larry. Und der echte Larry spielt in seiner Freizeit gerne Golf.

Angenommen, Sie drehen irgendwann einmal die allerletzte Episode von »Curb Your Enthusiasm«: Wäre es da eine realistische Idee, dass Larry noch einmal mit allen Menschen konfrontiert werden würde, denen er übel mitgespielt hat?
Das ist eine Seinfeld-Anspielung. Sie denken da an das Finale von Seinfeld«. Schämen Sie sich!

Werden Sie von manchen Menschen manchmal aus Angst gemieden?
Da haben wir es wieder. Warum glauben Sie, dass Menschen mich meiden könnten?

Was glauben Sie? Ich habe keine Ahnung.
Nein, nein. Leider gehen mir Menschen, zum Beispiel Sie, nicht aus dem Weg. Ich wünschte, es wäre anders.

Sind Sie oft von Menschen frustriert?
Ja, zum Beispiel jetzt.

Begegnungen mit Menschen müssten für Sie andererseits doch auch eine Inspirationsquelle sein.
Viele gehen davon aus, dass sie mir Futter für meine Ideen geben. Tun sie aber nicht. Ich schreibe etwas auf, und sie sagen: »Habe ich gerade etwas gesagt? Habe ich dir eine Idee gegeben?« Und ich: »Nein, nein, hast du nicht. Halt deinen Mund. Nein.«

In der TV-Dokumentation »Finding Your Roots« haben Sie vergangenes Jahr herausgefunden, dass Sie mit dem Politiker Bernie Sanders verwandt sind. Waren Sie schockiert?
Ja, Bernie und ich sind verwandt. Ich schwöre es bei Gott. Ich dachte, es sei cool, solche Sachen herauszufinden.

Was reizte Sie daran?
Es ist eben interessant, herauszufinden, wer meine Vorfahren waren. Jeder Mensch möchte doch tief in seinem Inneren wissen, woher er kommt. Wie seine Ahnen in den Jahrhunderten vor ihm getickt haben. Waren sie cool? Oder waren sie Freaks? Wir sind allen Spuren nachgegangen. Später erzählte man mir, dass Bernie Sanders mit mir verwandt sei. Angeblich ist er ein entfernter Cousin von mir. Vielleicht ein Cousin dritten Grades. Ich weiß nicht genau.

Mögen Sie Bernie Sanders?
Mögen ist das falsche Wort. Ich liebe Bernie. Ich liebe Bernie wirklich. Er ist mein Fleisch und Blut. Sorry, Hillary!

Haben Sie noch etwas anderes herausgefunden, abgesehen von der Sanders-Verwandtschaft?
Ja, in meiner Familie gab es Nazis.

Was war Ihre Reaktion darauf?
Ich war sehr glücklich darüber. Ich dachte, es muss einen ursächlichen Zusammenhang geben. Dass wir irgendetwas gemeinsam haben müssen. Und ich war überrascht. Sowohl meine Mutter als auch mein Vater sind jüdisch. »Hallo, ich bin Larry, und ich bin Jude. Und ach ja, ein Teil meiner Familie ist Nazi und verehrt Adolf Hitler. Das kommt in den besten Familien vor.« (lacht)

Sie sind im vergangenen Jahr 70 Jahre alt geworden. Viele Menschen nehmen dieses Alter zum Anlass für eine innere Einkehr. Wie stehen Sie zu dem Thema?
Bei mir war es eine sehr unangenehme Erfahrung. Danke, dass Sie mich daran erinnert haben. (lacht)

Mit dem amerikanischen Komiker und Drehbuchautor sprach Julia Manfredi. »Curb Your Enthusiasm« läuft bei dem Bezahlsender Sky.

Restitution

Bundesregierung will Herausgabe von NS-Raubkunst erleichtern

Gesetzentwurf sieht unter anderem einen Auskunftsanspruch gegenüber Personen vor, die NS-Raubkunst in Verkehr bringen

 17.04.2024

Berlin

Wenn aus Projektionen Projektile werden

Experten diskutierten bei einer Tagung der Bildungsabteilung im Zentralrat, wie anti-israelische Obsessionen wirken

von Mascha Malburg  17.04.2024

Philosophie

Mit Sartre gegen die Enge

Vincent von Wroblewskys Autobiografie »Vermutlich Deutscher« ist ein kleines Meisterwerk

von Marko Martin  17.04.2024

Interview

»Deutschland ist eine neurotische Nation«

Bassam Tibi über verfehlte Migrationspolitik, Kritik an den Moscheeverbänden und Ansätze für islamische Aufklärung

von Christoph Schmidt  16.04.2024

Glosse

Der Rest der Welt

Tscholent mit Cola? Warum ich die Nachbarn in Holland beneide

von Margalit Edelstein  16.04.2024

Glosse

Dieter Hallervorden: Mit letzter Finte

Der Kabarettist und Schauspieler hat ein Video zu Gaza und Israel herausgebracht, das es in sich hat

von Michael Thaidigsmann  16.04.2024

Venedig

Israelischer Pavillon bei Kunstbiennale öffnet nicht

Die Künstlerin Künstlerin Ruth Patir will zuerst eine Freilassung der Geiseln

 16.04.2024

Aufgegabelt

Gemüsesuppe mit Ptitim

Rezepte und Leckeres

 15.04.2024

Essay

Die Postkoloniale Theorie und ihre Folgen

Warum die akademisch-aktivistische Dämonisierung Israels so gefährlich ist

von Ingo Elbe  15.04.2024