Jewrovision

Gemeinsam stärker

Viele kleinere Gemeinden bilden Teams für den Song Contest in Dresden

von Christine Schmitt  08.01.2018 15:54 Uhr

Kräfte bündeln und dann gemeinsam bei der Jewrovision auftreten: So halten es viele kleinere Gemeinden. Foto: Illustration: Marco Limberg

Viele kleinere Gemeinden bilden Teams für den Song Contest in Dresden

von Christine Schmitt  08.01.2018 15:54 Uhr

Baden-Baden ist derzeit die gefühlte Hauptstadt der Jugendlichen aus Emmendingen, Heidelberg, Freiburg und Baden-Baden. Jeden Sonntag machen sich die Kids auf den Weg, um in der Kurstadt gemeinsam zu proben. Unter dem Titel »Fantastica 4 feat« wollen sie bei der Jewrovision für ihre Gemeinden an den Start gehen.

»Baden-Baden liegt für uns geografisch in der Mitte, sodass für alle nicht Ortsansässigen die Anfahrt etwa eine Stunde dauert«, sagt Viktoria Dohmen vom Jugendzentrum Emmendingen. Einige kommen mit dem Zug, andere mit dem Bus. Geprobt wird entweder im Gemeindehaus oder, wenn es belegt sein sollte, in einem Tanzstudio, das dann gemietet wird. Etwa 40 Jugendliche werden dann im Februar auf der Bühne tanzen und singen.

»Ich fahre gerne so weit, um dort mit allen gemeinsam zu proben«, sagt Sigalit Nakhshunov. Sie liebt es zu tanzen und ist seit drei Jewrovision-Veranstaltungen mit von der Partie. Auf keinen Fall würde sie darauf verzichten. »Wir Jugendliche sind wie eine Familie und unterhalten uns schon während der Fahrt, was wir auf die Beine stellen wollen«, erzählt die 16-Jährige. Hausaufgaben und Lernen für die Schule werden an einem anderen Tag erledigt.

Und überhaupt seien sie nun auch mit den Kids aus den anderen Jugendzentren befreundet. So auch mit den Jugendlichen aus Mannheim, Karlsruhe, Pforzheim und Rottweil, die ihrerseits einen gemeinsamen Act wuppen und ebenfalls der Jüdischen Jugend Baden (JüJuBa) angehören. Im Vorfeld der Jewrovision haben sich alle zweimal zu einem Camp getroffen, um rund um die Uhr zu proben.

Planung Das alles zu planen, sei durchaus anstrengend, meint Viktoria Dohmen. Aber gerade für die Jugendlichen aus Emmendingen sei es wichtig, sich mit anderen zusammenzutun, denn allein könnten sie einen Auftritt nicht stemmen. »Wir haben insgesamt gerade einmal sechs Jungen und Mädchen, die mitmachen wollen.« Die Gemeinde hat laut Statistik der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) 280 Mitglieder. Etwa 20 Kinder kommen sonntags ins Jugendzentrum, wobei viele noch zu jung sind, um bei der Jewrovision mitzumachen. Und andere wollen einfach nicht, sie sind keine Fans des öffentlichen Auftretens. »Nicht jeder möchte tanzen und singen.«

Seit vier Jahren nehmen zehn Jugendliche aus Heidelberg regelmäßig teil. »Jedes Jahr performen sie den Act – so begeistert sind sie immer«, sagt Jugenddezernentin Halyna Dohayman. In diesem Jahr steigen zwei weitere mit ihnen in den Zug, um in Baden-Baden zu proben. 2010 noch standen die Heidelberger allein auf der Bühne, doch wenig später beschlossen sie, sich mit den anderen zusammenzutun, nach der Devise: »Gemeinsam sind wir stark«.

Programm Doch in der Vorbereitungszeit kommt noch eine andere Aufgabe auf die Jugendzentren zu: Sie dürfen sich nicht nur mit der Jewrovision beschäftigen, sondern müssen auch den Jüngeren, die noch nicht mitmachen können, ein entsprechendes Programm bieten. In Emmendingen sei alles organisiert, sodass auch die Jüngsten auf ihre Kosten kommen, sagt Dohmen.

Immer mehr Jugendzentren kleinerer Gemeinden schließen sich zusammen, um gemeinsam ihre Städte beim größten jüdischen Musikevent zu vertreten. Denn die Teilnahme zählt für so ziemlich alle Kinder zu den Highlights des Jahres. Hier braucht es eine gute Logistik und viel Kraft der Jugendzentrumsleiter.

Erstmals haben sich in diesem Jahr die Gemeinden aus Bremen und Oldenburg zusammengetan. Im vergangenen Jahr bildeten Trier und Saarbrücken erstmalig ein Team. Routine hingegen dürften die Akteure des »Landesverbandes Bayern Lehava« haben, zu dem sich die Zehn- bis 19-Jährigen aus Nürnberg, Würzburg, Augsburg, Straubing und Hof zusammengeschlossen haben, oder von »Nordrhein-Jewish«, die schon mehrmals als gemeinsame Formationen antraten.

video Oldenburg mit 250 Gemeindemitgliedern hat in den vergangenen vier Jahren die Teilnahme jeweils allein gemeistert. »Da es immer dieselbe kleine Truppe ist, handelt es sich um ein eingespieltes Team«, sagt Gemeindevorsitzender Yehuda Wältermann. In diesem Jahr mussten die Kids lernen, auch Aufgaben abzugeben, beispielsweise das Vorstellungsvideo, das nun von den Bremern gestaltet wird.

Dafür übernehmen die Oldenburger den gesamten Act inklusive Choreografie. »Es wurde viel diskutiert«, sagt Wältermann. Aber es schweiße die Kids auch zusammen. Die Teammitglieder aus Bremen nahmen in den Anfangsjahren der Jewrovision immer teil, wie beispielsweise Marina Cornea weiß, die heute für das Jugend- und Familienzentrum zuständig ist. »Allein könnten wir eine Teilnahme auch in diesem Jahr nicht organisieren.« Aber da die Zugfahrt zwischen Bremen und Oldenburg nur 50 Minuten dauert und die Jugendlichen sich kennen, bot sich eine Zusammenarbeit an.

»Die Kids verstehen sich sehr gut«, sagt Marina Cornea. Mal wird in Oldenburg geprobt, mal in Bremen. Sieben Kinder werden aus der Hansestadt mit nach Dresden fahren, wo die Jewrovision am 10. Februar stattfinden wird. Die anderen elf kommen aus Oldenburg.

Zum zweiten Mal wollen auch die Jugendlichen aus Aachen, Krefeld, Essen, Duisburg, Mönchengladbach und Wuppertal unter dem Zusammenschluss Landesverband Nordrhein (JewEsch) bei der Jewrovision auftreten. Etwa 20 Kinder werden auf der Bühne stehen, erzählt Michael Rubinstein, Geschäftsführer des Landesverbandes. »Jeder ist uns wichtig, jeder, der mitmachen möchte, findet eine Aufgabe.« Es gebe genügend Tätigkeiten auf und hinter der Bühne.

Proben Die Probenorte rotieren. Zum ersten Mal werden Jugendliche aus Aachen mitmachen. Auch für die Kids aus Krefeld ist in diesem Jahr Premiere bei der Jewrovision. Im vergangenen Jahr waren sie zum Machane mitgefahren und so begeistert, dass sie in diesem Jahr unbedingt mitmachen wollen. »Für die Jugendarbeit ist es ein großer Schritt nach vorn«, sagt Rubinstein. Für die Gemeinde und die Landesverbände ist es allerdings auch finanziell eine Herausforderung, da sie für die Fahrtkosten aufkommen. Größtes Problem für Rubinstein ist derzeit, wie die Anreise von 700 Kilometern nach Dresden bewältigt werden kann.

Auch im Saarland und in Rheinland-Pfalz haben sich Jugendliche aus verschiedenen Gemeinden zusammengetan. »Unsere Kinder sind nun größer und älter geworden«, sagt Elena Moskva, Mitarbeiterin der Gemeinde Saarbrücken, wo sie für das Jugendzentrum zuständig ist. Im vergangenen Jahr hatte Saarbrücken sechs Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren. Zu wenige, um eine gute Performance abzuliefern, dachte sich Moskva und fragte in der Jüdischen Gemeinde Trier an, ob es Interesse an einem gemeinsamen Auftritt gibt.

In Trier, so erfuhr sie, lag das Problem genau anders herum. Die Gemeinde hatte mehr Jugendliche und weniger jüngere Kinder. Aber Gennady Nayfleysh, der Leiter des dortigen Jugendzentrums, hatte ebenfalls darüber nachgedacht, ob die Kinder nicht an der Jewrovision teilnehmen könnten, und zunächst nur Gelächter geerntet.

Somit beschlossen Elena Moskva und Gennady Nayfleysh, es gemeinsam anzugehen. Mehr als fünf Monate dauerten die Vorbereitungen. Schließlich traten im vergangenen Jahr 18 Jugendliche auf und landeten prompt auf dem sechsten Platz. Das schreit nach Wiederholung. Nun tanzen sie immer sonntags abwechselnd in Trier oder Saarbrücken. Um acht Uhr morgens treffen sie sich am jeweiligen Hauptbahnhof und benötigen für die 80 Kilometer mit dem Zug eine Stunde und 20 Minuten.

Musikauswahl Gemeinsam haben sie die Musik ausgesucht, Kostüme genäht und das Vorstellungsvideo gedreht. Streit gab es nicht. »Alle freuen sich schon. Und die Jüngeren fragen ungeduldig, wann sie denn endlich auch auftreten dürfen. Es gibt einen großen Schwung für die Gemeinden.« Der Weg nach Dresden ist weit. 800 Kilometer werden sie fahren müssen. Um sechs Uhr früh soll es losgehen.

In Emmendingen gehen die Akteure inzwischen in die Feinabstimmung und diskutieren über die Musik, Bühnenshow und Video. Sie verstehen sich alle gut und werden sich – selbst wenn es einmal hoch hergeht – rasch einig. Castings, wie sie größere Gemeinden wie Düsseldorf durchführten, gab und gibt es in der in der Nähe von Freiburg gelegenen Gemeinde nicht. »Für uns ist wichtig, alle mitzunehmen«, sagt Viktoria Dohmen.

Sie hofft, dadurch auch »ältere« Jugendliche an das Jugendzentrum zu binden, denn wenn die Gemeindekinder älter werden, sei es nicht mehr so einfach, sie dafür zu begeistern. In diesem Jahr werden elf Kinder und Jugendliche mit zum Machane fahren, vielleicht wollen sie ja dann im nächsten Jahr auch bei der Jewrovision auftreten.

www.jewrovision.de

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