UFA

Viel Licht und viel Schatten

Der Erste Weltkrieg war für das Deutsche Reich schon nicht mehr zu gewinnen. Doch vor genau 100 Jahren, im Jahr 1917, unternimmt die Oberste Heeresleitung mit Hindenburg und Ludendorff an der Spitze noch einmal immense Anstrengungen, um den Kriegsverlauf zu wenden.

Eine davon ist die Gründung der Ufa. Ludendorff hat die Bedeutung von Filmpropaganda erkannt und gründet mit Geldern der Deutschen Bank und des Deutschen Reiches durch einen Zusammenschluss verschiedener Filmfirmen die Universum Film AG, kurz Ufa. Die Filmproduktionsfirma ist also nicht erst durch ihre Rolle im Nationalsozialismus mit Propaganda verbunden, sondern bereits in ihrer Geburtsstunde.

Ausgestattet mit einem Grundkapital, das sie europaweit konkurrenzfähig macht, soll sie in allen Bereichen der Filmwirtschaft (Produktion, Verleih, Kinobetrieb) tätig sein. Durch den Zusammenschluss einzelner Produktionsfirmen ist sie im Besitz von Ateliers, wie beispielsweise in Tempelhof, und hat Produzenten unter ihrem Dach, die wiederum Regisseure und Schauspieler mitbringen – oft schon eingespielte, erfolgreiche Teams.

stars Unter diesen Firmen, die in der Ufa aufgehen, ist auch die Projektions-AG Union (PAGU) von Paul Davidson. Mit Davidson kommen die Stars Ossi Osswalda und Ernst Lubitsch zur Ufa, wenig später kommt die May-Film GmbH von Joe May hinzu. Auch er setzt seine äußerst erfolgreiche Arbeit unter anderem mit Fritz Lang, Thea von Harbou und E. A. Dupont als Produzent nun unter dem neuen Dach fort.

In den folgenden Jahren werden Meilensteine der deutschen Filmgeschichte wie Metropolis von Fritz Lang realisiert. Prägend für diese Erfolge der frühen 20er-Jahre ist Erich Pommer. Er gilt als der erste moderne Filmproduzent – ein »kreativer Produzent«, der zahlreiche Stars entdeckt und aufbaut, ein Gespür für Stoffe und Talente hat.

Seinem Mut auch für ungewöhnliche Stoffe sind Filme wie Das Cabinet des Dr. Caligari zu verdanken. Seine Vision vom Gesamtkunstwerk Film, vielleicht mehr noch die Freiräume, die er Regisseuren wie Fritz Lang einräumt, lassen hohe Produktionskosten entstehen, die durch die Einspielergebnisse an der Kinokasse nicht aufgefangen werden können. Anfang 1926 tritt Pommer von seinen Funktionen bei der Ufa zurück.

Gerettet wird der in die Krise geratene Konzern durch Alfred Hugenberg, der als Wegbereiter des Nationalsozialismus gilt und in Hitlers erstem Kabinett Minister wird. Doch zu diesem Zeitpunkt hat ein Aufbruch nach Hollywood von Filmgrößen wie E. A. Dupont, Lya de Putti, Pola Negri, Friedrich Wilhelm Murnau oder Conrad Veidt bereits begonnen. Erich Pommer wird 1946 im Auftrag des amerikanischen Staates nach Deutschland zurückkehren, betraut mit Fragen des Wiederaufbaus der deutschen Filmwirtschaft, der Reeducation und involviert in die Entnazifizierungsverfahren zahlreicher Filmleute.

übergangszeit In der Übergangszeit vom Stumm- zum Tonfilm dreht die Ufa, wie alle, Versionenfilme: Filme, die an den gleichen Sets in verschiedenen Sprachen gedreht werden – zum Teil sogar mit den gleichen Schauspielern, die die Szenen nacheinander in verschiedenen Sprachen spielen. Als Höhepunkte des frühen Tonfilms entstehen internationale Erfolge wie Die Drei von der Tankstelle, Der blaue Engel oder Der Kongress tanzt.

Die jüdischen Filmschaffenden, die in der Weimarer Zeit für die Ufa arbeiten, sind zahlreich und prägend für den deutschen Film. Ihre Zahl überschreitet bei Weitem die bekannten Namen, die uns heute noch im Gedächtnis sind. Wer kennt schon die Ausstatterinnen, Komponisten, Kameraleute oder Drehbuchautoren, die hinter oder an den Kulissen arbeiteten?

1933 kommt diese künstlerisch fruchtbare Zusammenarbeit zu einem jähen Ende: Schon vor Hitlers Machtantritt hetzten die Nazis gegen die jüdischen Akteure in der deutschen Filmwirtschaft. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 scheint zunächst eine andere Einschätzung innerhalb der Ufa vorzuherrschen: Erik Charell, der mit Der Kongress tanzt der Ufa 1931 einen furiosen Erfolgsfilm beschert hatte, handelt Ende Januar 1933 noch üppige Gagen für ein geplantes Operettenfilmprojekt aus, für das er Ende Februar die Verträge unterschreibt und Anfang März die erste Gagenzahlung erhält.

Doch Goebbels, der neu ernannte Reichsminister für Propaganda und Volksaufklärung, hält am 28. März 1933 seine erste programmatische Rede vor Vertretern des deutschen Films. In ihr kündigt er Neuerungen an und skizziert in Grundzügen die nationalsozialistische Filmpolitik.

Exil Bereits am nächsten Tag wird in vorauseilendem Gehorsam einem großen Teil der jüdischen Ufa-Mitarbeiter gekündigt – als wäre dieser Schritt bestens vorbereitet gewesen. Auch Erik Charell erhält am 5. April die Kündigung seines Vertrags, verbunden mit der Forderung nach Rückzahlung seiner Gage. Er klagt und verliert in verschiedenen Instanzen.

Nicht alle der jüdischen Filmschaffenden, die Anstellung und Auskommen verlieren, gehen den Weg eines Prozesses. Und nicht alle sehen sich im Filmexil wieder, wie Erik Charell, Erich Pommer, Paul May oder der Drehbuchautor Robert Liebmann in Paris und Hollywood. An die Erfolge ihres Filmschaffens in Deutschland können viele im Exil nicht anschließen.

Nach dem eiligen Rausschmiss der jüdischen Angestellten werden noch einige als »halbjüdisch« geltende Filmschaffende beschäftigt, wie der erfolgreiche Regisseur Reinhold Schünzel, auf dessen Kassenschlager man wohl noch nicht verzichten will. Für ihn stellt Goebbels immer wieder Sondergenehmigungen aus, bis auch das 1937 ein Ende findet.

Goebbels Während die entkommenen Regisseure, Schauspieler und Produzenten in Hollywood Filme wie Casablanca realisieren und das dortige Filmschaffen mitprägen, wird die Ufa zur Propagandamaschine mit den Regisseuren und Stars der vormals zweiten Reihe. Filme wie Hitlerjunge Quex oder Kolberg werden gedreht. Filmschaffende wie Karl Ritter, Veit Harlan, Hans Steinhoff oder Kristina Söderbaum machen Karriere.

Doch es werden nicht nur die großen Propagandastreifen produziert, die heute als sogenannte Vorbehaltsfilme nur unter Auflagen gezeigt werden dürfen, sondern vor allem eskapistische Unterhaltungsfilme. Revue- und Operettenfilme erleben einen Boom. Deren Settings sind auffällig weit entfernt von der nationalsozialistischen Gegenwart.

Doch auch diese Werke sind Teil des nationalsozialistischen Filmerbes und hatten eine stabilisierende und legitimierende Funktion für das Regime. Unpolitisch mögen sie scheinen, ideologiefrei sind sie indes nicht. Nicht umsonst beschrieb Goebbels die beste Propaganda als diejenige, die unbemerkt daherkomme. Und der Anteil, den die Ufa als die Filmproduktion im »Dritten Reich« daran hatte, ist kaum hoch genug einzuschätzen.

Aufbau Nach 1945 wird die Ufa zerschlagen. Von einer »Demontage der Traumfabrik« schreibt Helmut Käutner in den Nachkriegsjahren. In Ostberlin entsteht die DEFA, im Westen wird die Filmproduktion kleinteiliger wiederaufgebaut. Im Gründungsfieber, in dem nach 1945 zahlreiche neue Filmproduktionsfirmen entstehen, sind nicht nur die (ehemaligen) Filmschaffenden von Ufa, Tobis und Terra an der Etablierung neuer Strukturen beteiligt, sondern auch neue Gesichter: Artur Brauner gründet 1946 seine CCC-Film in Berlin; in Hamburg tun sich im folgenden Jahr Gyula Trebitsch und Walter Koppel zusammen, um die Real-Film GmbH zu gründen.

In den 60er-Jahren gerät die Ufa – wie schon einmal in den 20er-Jahren – in eine finanzielle Krise, aus der sie diesmal vom Bertelsmann-Konzern gerettet wird. Heute produziert die Ufa Komödien wie Fack ju, Göhte und geschichtsvergessenes Geschichtsfernsehen wie Unsere Mütter, unsere Väter. Auch die älteste Daily Soap des deutschen Fernsehens, Gute Zeiten, Schlechte Zeiten, stammt aus dem Hause Ufa.

Jetzt, im Jubiläumsjahr, wird eifrig zurückgeschaut, und eine Veranstaltung reiht sich an die andere: Am 24. November wurde eine Ausstellung zur Geschichte der Ufa in der deutschen Kinemathek eröffnet, Arte zeigt eine Filmreihe mit den großen Klassikern der Ufa, wissenschaftliche Tagungen wenden sich der Ufa-Filmgeschichte zu, und auf einer Ufa-Geburtstagsgala in Berlin durften Schauspieler in die Kostüme früherer Ufa-Stars schlüpfen.

nostalgie Im Gepäck jede Menge Nostalgie über die Ufa-Erfolgsgeschichte und Heldenverehrung der großen Namen. Dabei wird häufig das »dunkle« Kapitel der Ufa-Geschichte, wie es analog in der deutschen Erinnerungskultur allgemein zu beobachten ist, konsumierbar gemacht und zu einem überwundenen und abgeschlossenen Kapitel erklärt.

Angesichts dessen ist es regelrecht wohltuend, wenn der Filmkritiker Georg Seeßlen im Magazin »epd Film« ätzt, der Neo-Ufa-Stil sei in seinem Wesen fast immer nostalgisch, man wisse nie, ob man kritisch oder wehmütig zurückschaue. Er propagiere eine militante Privatheit – »und wenn in Hollywood das Happy End immer mit einem Erfolg verknüpft ist, dann im deutschen Post-Ufa-Film immer mit einem ›Zuhause‹«.

Es mag harsch klingen, wenn Seeßlen gegen die »nationalen Feelgood-Movies« im neuen Ufa-Stil zu Felde zieht, die die Vergangenheit beschönigen, bereinigen und symbolisch vermenschlichen würden. Doch so viel Vielstimmigkeit muss im freudigen Jubiläumsreigen schon sein.

Die Autorin ist Filmwissenschaftlerin und schreibt über zeitgenössische jüdische Themen in Deutschland. Ihr Text basiert auf einem Vortrag, den sie auf der Tagung der Bildungsabteilung im Zentralrat »Die Machtergreifung der Bilder. Der Nationalsozialismus im Film« (6. bis 8. Dezember in Wiesbaden) halten wird.

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