Filmfestspiele Venedig

Samuel Maoz bittet zum Tanz

»Eine Gesellschaft kann nicht blühen, wenn Kritiker als Verräter hingestellt werden«, sagt der Regisseur Samuel Maoz zur Kritik an seinem Film. Foto: imago

Es ist genau 42 Jahre her, dass Samuel Maoz zu seiner Barmizwa eine Super-8-Kamera geschenkt bekam. Schon damals, als Jugendlicher, wollte er zum Kino. Doch mit Anfang 20, er leistete gerade seinen Dienst bei der IDF ab, wurde er zum Libanonkrieg eingezogen, saß 30 Tage in einem Panzer, tötete aus Überlebensinstinkt und war danach lange Zeit traumatisiert.

25 Jahre brauchte Samuel Maoz, um seine Erfahrungen in einem Drehbuch zu verarbeiten. 2009 gewann sein Debütfilm Lebanon den Goldenen Löwen bei den Filmfestspielen von Venedig.

Verzweiflung Acht Jahre später hat Samuel Maoz nun erneut in Venedig einen wichtigen Preis gewonnen: den Großen Preis der Jury für sein neues Werk Foxtrot, eine israelisch-deutsch-französische Koproduktion. Wieder geht es um einen jungen Soldaten: Jonathan Feldman heißt der Junge, und er ist tot. Die Mutter Davra (Sarah Adler) bricht vor Verzweiflung zusammen, der Vater Michael (Lior Ashkenazi) reagiert mit kalter Wut.

Die Armee hat für solche Fälle praktische Tipps für die Hinterbliebenen parat: Ein Glas Wasser soll den ersten Schock abdämpfen. Und dann geschieht ein tragikomisches Wunder: Ja, ein Jonathan Feldman ist wirklich gestorben, aber nicht der Sohn von Davra und Michael. Die Wut des Vaters ist damit jedoch nicht besänftigt.

Samuel Maoz nahm auch für diesen Film ein persönliches Erlebnis zum Anlass. Seine älteste Tochter fuhr morgens regelmäßig mit dem Taxi zur Schule, um nicht zu spät zu kommen. Eines Morgens hatte der Vater genug, wollte durch Strenge ein Exempel statuieren. Er bestellte seiner Tochter kein Taxi und herrschte sie an, sie möge jetzt den Bus nehmen wie alle anderen, auch wenn sie dann eben zu spät käme.

Kurze Zeit später hörte Maoz im Radio, dass palästinensische Terroristen auf einen Bus dieser Linie ein Attentat mit vielen Toten verübt hatten. Das Handynetz brach zusammen. Eine Stunde lang wusste er nicht, ob seine Tochter noch lebt. »Diese 60 Minuten waren schrecklicher als alle 30 Tage im Panzer während des Libanonkriegs«, sagt Maoz. Seine Tochter hatte den Bus zum Glück knapp verpasst und blieb unversehrt.

Humor Wie schon Lebanon wurde auch Maoz’ neuer Film Foxtrot in Venedig von Kritik und Publikum gefeiert. Nicht wenige meinten, nur der Goldene Löwe für Lebanon habe »verhindert«, dass er erneut mit dem Hauptpreis ausgezeichnet wird. Seine Mischung aus Familiendrama, Spannung, Humor und überraschenden Tanzeinlagen von gelangweilten Soldaten mag indes Venedig überzeugt haben, nicht jedoch die israelische Kulturministerin Miri Regev.

Die Likud-Politikerin wetterte gegen israelische Künstler, »die die junge Generation gegen die moralischste Armee der Welt« aufstacheln würden. Sie warf Maoz nicht nur vor, zu lügen, sondern auch Israelhasser wie die BDS-Bewegung zu unterstützen. Dieser Vorwurf sei schon deshalb absurd, weil ausnahmslos jeder israelische Film von israelfeindlichen Organisationen boykottiert wird, konterte Maoz besonnen. Er kennt solche Vorhaltungen und schob noch den Satz hinterher: »Eine Gesellschaft kann nicht blühen, wenn Kritiker als Verräter hingestellt werden.«

Frankfurt am Main

Bildungsstätte Anne Frank zeigt Chancen und Risiken von KI

Mit einem neuen Sammelband will sich die Institution gegen Diskriminierung im digitalen Raum stellen

von Greta Hüllmann  19.04.2024

Kunst

Akademie-Präsidentin gegen Antisemitismus-Klausel

»Wir haben ein gutes Grundgesetz, wir müssen uns nur daran halten«, sagt Jeanine Meerapfel

 19.04.2024

Jehuda Amichai

Poetische Stimme Israels

Vor 100 Jahren wurde der Dichter in Würzburg geboren

von Daniel Staffen-Quandt  19.04.2024

Antisemitismus

Zentralrat der Juden äußert sich zu Hallervordens Gaza-Video

Das Gaza-Gedicht des Schauspielers wurde in den vergangenen Tagen massiv kritisiert

 19.04.2024

Streaming

»Bros«: Zwei Trottel, eine Bar

Die erste rein hebräischsprachige und israelische Original-Produktion für Netflix ist angelaufen

von Ayala Goldmann  18.04.2024

Interview

»Deutschland ist eine neurotische Nation«

Bassam Tibi über verfehlte Migrationspolitik, Kritik an den Moscheeverbänden und Ansätze für islamische Aufklärung

von Christoph Schmidt  18.04.2024

Verschwörungstheorien

Nach viel kritisiertem Israel-Hass-Video: Jetzt spricht Dieter Hallervorden

Der Schauspieler weist die Kritik an seiner Veröffentlichung zurück

 18.04.2024

Venedig

Israelhasser demonstrieren bei Kunstbiennale

Die Demonstranten forderten einen Boykott israelischer Künstler

 18.04.2024

Klassik

Eine Liebeserklärung an die Mandoline

Der israelische Musiker Avi Avital verleiht Komponisten wie Bach oder Vivaldi einen unverwechselbaren neuen Touch

von Christine Schmitt  18.04.2024