Jubiläum

»Ein Traum ist wahr geworden«

Am Ende des großen Festakts zum »100. Geburtstag der Synagoge Augsburg« – mit langer Rednerliste und wunderbarer Musik – brachten die Gäste ein fröhliches »Mazal tov« auf den demnächst 90-jährigen Gemeinde- und Landesrabbiner emeritus Henry G. Brandt aus.

Zum Festakt war das Gotteshaus mit seinen 800 Plätzen bis in die letzten aufsteigenden Ränge gut besetzt. »Von so einem Moment habe ich geträumt, als ich hier vor mehr als zehn Jahren angefangen habe«, erinnert sich Rabbiner Brandt in seiner Rede, »es ist wahr geworden, und dafür danke ich Gott.«

Hohe Prominenz war angereist: Bundespräsident Franz-Walter Steinmeier, der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, Zentralratspräsident Josef Schuster. Alexander Mazo, Präsident der IKG Schwaben-Augsburg, eröffnete mit einer sehr persönlich gehaltenen Rede den Abend. Er zeigte sich erleichtert: »Heute ist es endlich, endlich so weit.« Mazo nennt es ein »Wunder«, dass die Synagoge »die Katastrophen des 20. Jahrhunderts überstanden« habe. Zudem seien dem Gebäude während der gesamten Nachkriegszeit hässliche Um- oder Ausbauten im Innern erspart geblieben.

herzensanliegen »Was für ein schöner Raum, und was für ein besonderes Haus«, schwärmte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Dass die Augsburger »Große Synagoge« nicht »durch den Mut Einzelner gerettet« worden sei, »sondern durch die Angst des braunen Mobs, der befürchtet hatte, eine benachbarte Tankstelle könnte explodieren«, dass es allerorten »fehlendes Mitleid mit den jüdischen Nachbarn, fehlenden Mut gegenüber den Mächtigen« gegeben habe, das mache es für einen Bundespräsidenten sehr schwer, Worte zu finden.

Steinmeier äußerte sich scharf und deutlich zum Thema Antisemitismus. »Antisemitismus steckt in tumben Hetzparolen ebenso wie in versteckten scheinbar entgleisten intellektuellen Nebenbemerkungen. Aber an das eine wie an das andere dürfen wir uns niemals gewöhnen. Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass Synagogen in unserem Land immer von der Polizei bewacht werden müssen, wir dürfen nicht ertragen, dass völkisches Gedankengut wieder Einzug hält in politische Reden. Wir dürfen es nicht hinnehmen, wenn Einwanderer aus muslimisch geprägten Religionen auch Feindbilder importieren. Wir dürfen es nicht durchgehen lassen, wenn aus Kritik an israelischer Regierungspolitik mit einem boshaften Winkelzug eine Infragestellung Israels wird.«

Gesellschaft Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, wandte sich in seiner Rede einem Detail zu, einer Steinplatte, eingelassen im Boden des Synagogen-Innenhofs. Auf der Platte befindet sich die Abbildung eines Magen Davids sowie einer Zirbelnuss. Die Zirbelnuss, wahrscheinlich von den Römern nach Augsburg »importiert«, ist seit ewigen Zeiten Teil des Augsburger Stadtwappens. »Was durch diese Kombination zum Ausdruck gebracht werden sollte«, sagte Josef Schuster, »liegt auf der Hand – wir sind Augsburger Bürger.«

Ein »starkes Statement«, wie er meinte, von dem man auch heute nicht ablassen solle. »Denn gerade heute habe ich verstärkt den Eindruck, dass Juden oft nicht als selbstverständlicher Bestandteil unserer Gesellschaft wahrgenommen werden, sondern dass wir als Fremde betrachtet werden.« »Wir sind Bürger dieses Landes«, betonte der Würzburger Mediziner.

Selbstbewusstsein Sich selbstbewusst als deutscher Bürger zu verstehen, bedeute, weder überheblich zu sein noch andere abzuwerten. »Aber es bedeutet, sich seiner Herkunft und Tradition sowie seiner Zugehörigkeit sowohl zum Judentum als auch zu Deutschland bewusst zu sein«, sagte Schuster. Diese Haltung habe sich die jüdische Gemeinschaft nach dem organisierten Massenmord der Nationalsozialisten an den Juden erst erarbeiten müssen. Dies habe »viel mit Vertrauen zu tun«, erläuterte Schuster. Er hoffe, dass dieses Vertrauen nie mehr enttäuscht werde.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer nannte es später ein »persönliches Herzensanliegen, Rechtsradikalismus und Antisemitismus keinen Millimeter Platz zu geben«. Er versprach, dass die anstehende Generalrenovierung der Augsburger Synagoge von der bayerischen Staatsregierung unterstützt werde.

Pessach

Auf die Freiheit!

Wir werden uns nicht verkriechen. Wir wollen uns nicht verstecken. Wir sind stolze Juden. Ein Leitartikel zu Pessach von Zentralratspräsident Josef Schuster

von Josef Schuster  19.04.2024

Sportcamp

Tage ohne Sorge

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und Makkabi luden traumatisierte Kinder aus Israel ein

von Christine Schmitt  18.04.2024

Thüringen

»Wie ein Fadenkreuz im Rücken«

Die Beratungsstelle Ezra stellt ihre bedrückende Jahresstatistik zu rechter Gewalt vor

von Pascal Beck  18.04.2024

Berlin

Pulled Ochsenbacke und Kokos-Malabi

Das kulturelle Miteinander stärken: Zu Besuch bei Deutschlands größtem koscheren Foodfestival

von Florentine Lippmann  17.04.2024

Essay

Steinchen für Steinchen

Wir müssen dem Tsunami des Hasses nach dem 7. Oktober ein Miteinander entgegensetzen

von Barbara Bišický-Ehrlich  16.04.2024

München

Die rappende Rebbetzin

Lea Kalisch gastierte mit ihrer Band »Šenster Gob« im Jüdischen Gemeindezentrum

von Nora Niemann  16.04.2024

Jewrovision

»Ein Quäntchen Glück ist nötig«

Igal Shamailov über den Sieg des Stuttgarter Jugendzentrums und Pläne für die Zukunft

von Christine Schmitt  16.04.2024

Porträt der Woche

Heimat in der Gemeinschaft

Rachel Bendavid-Korsten wuchs in Marokko auf und wurde in Berlin Religionslehrerin

von Gerhard Haase-Hindenberg  16.04.2024

Berlin

Zeichen der Solidarität

Jüdische Gemeinde zu Berlin ist Gastgeber für eine Gruppe israelischer Kinder

 15.04.2024