Boykott

Streit um Schwarze Liste

Interessiert sich für Facebook- und Twitter-Profile: Gilad Erdan Foto: Flash 90

Nach dem umstrittenen Gesetz zum Einreiseverbot für ausländische BDS-Aktivisten legt Gilad Erdan, Minister für strategische Angelegenheiten, nach. Jetzt will er angeblich eine Schwarze Liste von israelischen Bürgern anlegen lassen, die einen Boykott Israels oder der jüdischen Siedlungen im Westjordanland unterstützen. Das berichtete der Fernsehkanal 2 in der vergangenen Woche. Man müsse auch Israelis beobachten, habe der Minister gesagt, da oft sie es seien, die Ausländer ermutigen und mit ihnen kooperieren. Russland lässt grüßen, meinen seine Kritiker.

BDS ist die weltweite Bewegung, die sich für einen Boykott, Desinvestition und Sanktionen gegen Israel und/oder die Siedlungen einsetzt. Obwohl Erdans Ministerium verantwortlich für BDS-Gegenmaßnahmen ist, hat sich Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit gegen den neuesten Vorschlag ausgesprochen, wie viele Oppositionspolitiker auch. Erdans Ministerium verfüge überhaupt nicht über die gesetzliche Befugnis, Informationen über israelische Bürger zu sammeln, lautet das Hauptargument.

justizministerium Der Minister tüftle jedoch bereits seit Monaten an der Idee, heißt es in dem Fernsehbericht, und arbeite vor allem mit dem Justizministerium zusammen. Erfahrung damit hat Erdan bereits, denn zuvor hatte er auch schon die Angaben zu ausländischen Aktivisten zusammengestellt. Dafür ließ er sogar eine spezielle Geheimdienst-Abteilung einrichten. Obwohl er die Daten über seine Mitbürger hauptsächlich aus öffentlich zugänglichen Medien wie Facebook und Twitter sammeln und keine Informationen über breite Bevölkerungsschichten zusammentragen wolle, sondern nur zu ausgewiesenen BDS-Aktivisten, machte der Generalstaatsanwalt deutlich, dass selbst dies untersagt sei.

Die einzige Behörde mit der entsprechenden Vollmacht ist der Inlandsgeheimdienst Schin Bet. Alles andere verletze das Recht auf Privatsphäre. Michal Rozin von der Linkspartei Meretz nannte Erdans Vorschlag »wie bei McCarthy, unmoralisch und illegal. Dieses Sammeln von Informationen widerspricht den Werten der Demokratie und des Rechts«.

BDS-Aktivisten in Israel fühlen sich durch die geplante Regelung in ihrer Auffassung sogar noch bestätigt und zu weiteren Maßnahmen gedrängt – auch wenn manche Israel nicht als Ganzes boykottieren wollen. Wie beispielsweise Amiram Goldblum, Chemieprofessor an der Hebräischen Universität. Nach eigener Schätzung hat er mindestens 100-mal zu einem vollständigen wirtschaftlichen, kulturellen und akademischen Boykott der jüdischen Siedlungen im Westjordanland aufgerufen und würde damit sicher auf der Liste des Ministers landen, wie er selbst sagt. »Erdans Idee ist eine Provokation, also antworten wir mit einer Gegen-Provokation«, sagt er. Gemeinsam mit Aktivisten aus verschiedenen Ländern rief er jetzt eine internationale Petition ins Leben, die erneut zum totalen Siedlungsboykott aufruft.

einreiseverbot Rikki Baker Keusch ist Israelin aus Ramat Gan, die derzeit an der University of Chicago in den USA studiert. In einem leidenschaftlichen Blog äußerte sie sich kürzlich zum Einreiseverbot für BDS-Aktivisten: »Durch ein neues israelisches Gesetz könnte für Menschen wie mich bald jegliche Reise nach Israel untersagt sein. Hätte ich keinen israelischen Pass, wäre es möglich, dass ich nicht mehr ins Land gelassen würde. All das, weil ich mich gegen jüdische Siedlungen auf palästinensischem Gebiet ausspreche.«

»Dabei bin ich gerade aus Israel zurückgekehrt«, erzählt Baker Keusch am Telefon aus den USA, »wo ich eine Delegation von amerikanischen Studenten durchs Land geführt habe, um künftige Führungskräfte mit einer pro-israelischen Sicht auszubilden.« Die junge Frau besuchte mit ihrer Gruppe auch Siedlungen, persönlich gekauft hat sie dort nichts. Obwohl Baker Keusch nicht die BDS-Bewegung unterstützt, so boykottiert sie doch die Siedlungen. »Die Siedlungen, besonders deren andauernde Erweiterung, sind ein Hindernis für den Frieden und stellen im Allgemeinen eine große Gefahr für unser Land dar«, meint sie.

demokratie Die Studentin fühlt sich von der Regierung in Jerusalem unfair behandelt: »Es sind mittlerweile alle links denkenden Menschen, die zu Unrecht angegriffen werden, nur weil sie wollen, dass Israels jüdischer und demokratischer Charakter bewahrt bleibt. Ob es um das NGO-Gesetz oder das Einreiseverbot geht – wir werden bestraft, weil wir eine andere Meinung haben als die derzeit amtierende Regierung. In einer lebendigen Demokratie aber muss es erlaubt sein, diese zu kritisieren. Das Gesetz ist gar nicht dazu da, die BDS-Bewegung zu bekämpfen. Es geht darum, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.«

Hinnehmen will sie das nicht. »Ich bin stolze Israelin und glaube an Israel als sicheren Hafen für Israelis und Juden aus aller Welt. Meine Meinung ist aber auch, dass dies nicht auf Kosten der Selbstbestimmung der Palästinenser gehen darf.«

Als sie ihre Familie in Israel besuchte, sagte ihre Tante zu ihr: »Dein Großvater wäre sehr stolz auf dich gewesen, dass du so offen und beherzt für deine Rechte einstehst.« Der Großvater von Rikki Baker Keusch war Zionist mit Leib und Seele. Für sie eine klare Sache: »Pro-Israel und links zu sein, ist kein Paradox – es ist eine Überzeugung.«

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