Studie

Sag mir, wie du heißt ...

Mike und Janine, Thorben oder Jaqueline – Namen sind weit mehr als nur Schall und Rauch. Foto: imago

Namen sind keinesfalls nur »Schall und Rauch«. Sie beeinflussen auf erstaunliche Weise unser Selbstbild und unsere Wahrnehmung durch andere. Dass in Deutschland eine Julia, von der man nichts weiß außer ihren Namen, eher als intelligent betrachtet wird als eine Elfriede, brachte schon 1999 eine Befragung zutage. Und wer als Junge Kevin heißt, hat bei Frauen derzeit ziemlich schlechte Karten. Das jedenfalls belegt eine Auswertung der Klickdaten von verschiedenen Online-Dating-Sites. Sie mögen lieber einen Alexander. Dieser Name wird mehr als doppelt so häufig angeklickt.

Viele Namen lösen sofort eine ganze Reihe an Assoziationen aus – ähnlich wie das Äußere einer Person Erwartungen an seinen Charakter weckt. Eine Hannah oder Sophie stellt man sich anders vor als eine Mandy oder Samantha. Laut einer aktuellen Studie der Hebräischen Universität steht auch das optische Erscheinungsbild einer Person eng im Zusammenhang mit ihrem Namen.

Stereotyp »Von der Minute unserer Geburt an werden wir sozial strukturiert«, bringt es Ruth Mayo auf den Punkt. »Und zwar nicht nur durch unser Geschlecht, die ethnische Zugehörigkeit und den sozialen Status, sondern einfach durch unseren Namen, den andere für uns ausgesucht haben«, so die Wissenschaftlerin, die mit ihrer Kollegin Yonat Zwebner die groß angelegte Testreihe geleitet hat, deren Ergebnisse nun unter dem Titel »We Look Like Our Names: The Manifestation of Name Stereotypes in Facial Appearance« im Journal of Personality and Social Psychology veröffentlicht wurden.

»Das Ganze funktioniert offensichtlich nach dem Prinzip einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung.« Wenn man mit einem bestimmten Namen geboren wurde, sorgt das Umfeld dafür, dass die Wahrnehmung ähnlich ist wie bei anderen Menschen mit demselben Namen. Die Wissenschaftler sprechen von einem »sozialen Etikett«, wodurch ebenfalls unser Aussehen beeinflusst wird.

Verhalten Die Studie untermauert damit frühere Beobachtungen aus den USA. Dort hatte man festgestellt, dass Frauen namens Katherine als beruflich wesentlich erfolgreicher gelten als jene, die Bonnie heißen. Konkret bedeutet dies, dass Menschen gegenüber den Katherines anders auftreten als im Fall der Bonnies. Irgendwann prägt dieses unterschiedliche Verhalten der Umgebung ihre Persönlichkeiten.

Mayo und Zwebner hatten mehreren Hundert Freiwilligen Fotos von Frauen und Männern vorgelegt und zugleich eine Auswahl von je vier bis fünf Namen präsentiert. Davon sollten sie nun den ihrer Meinung nach richtigen der abgebildeten Person zuordnen. Bemerkenswerterweise gelang das in 38 Prozent aller Fälle, also weit über den 20 bis 25 Prozent, die bloße Zufallstreffer gewesen wären. Sogar wenn auf Aufnahmen nur die Frisur zu sehen war, lag die Wahrscheinlichkeit, den korrekten Namen zu finden, recht hoch.

Kulturkreis Aber die Verknüpfung von Optik und Name funktioniert nicht universell, sondern ist auf den eigenen Kulturkreis begrenzt. Um dies festzustellen, hatten Mayo und Zwebner eng mit französischen Forschern zusammengearbeitet, die eine Versuchsreihe im selben Design durchführten. Die Testpersonen in Frankreich kamen auf vergleichbare Werte, wenn es um französische Namen für die abgebildeten Franzosen ging. Als sie aber die hebräischen Namen der auf Fotos gezeigten Israelis identifizieren sollten, klappte das überhaupt nicht. Die Israelis scheiterten im Gegenzug bei der Zuordnung der französischen Namen.

»Kulturelle Stereotype spielen also eine ganz entscheidende Rolle«, erklärt Ruth Mayo. Ebenso die Tatsache, dass es sich um die Geburtsnamen handeln muss. »Bei Spitz- und Kosenamen lag die Wahrscheinlichkeit, den richtigen davon zu erkennen, schon wieder deutlich niedriger.«

Was Menschen an assoziativen und kognitiven Fähigkeiten haben, das sollen auch Computer beherrschen, so das Ziel der Wissenschaftler. Eine Software wurde bereits entwickelt, die mit fast 100.000 Gesichtsbildern und entsprechend vielen Namen trainiert wurde. Die Trefferquote ist höher als bei den Versuchspersonen. Sie liegt zwischen 54 und 64 Prozent.

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