Donald Trump

Allein im Weißen Haus

Was kann ein Mann in einem so großen Haus schon anstellen, nachdem er geschlafen, gegessen, geduscht und sein Haar gestylt hat? Foto: Reuters

Tag um Tag, Woche um Woche verstreicht, und jetzt ist schon mehr als ein Monat vergangen, seit Donald J. Trump als Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wurde. Hat sich irgendetwas geändert?

Alles und nichts. Amerika ist immer noch Amerika, dasselbe, das es auch 2016 schon war. Alle, die ich kenne, tun genau das, was sie schon immer machen, seit sie angefangen haben, überhaupt etwas zu tun. Sie haben dieselben Jobs, bekommen dieselben Gehälter, essen dasselbe Essen, haben dieselben Vorlieben und Abneigungen, lesen dieselben Zeitungen und schauen dieselben Fernsehsender. Sie sind um ein paar Wochen gealtert, gewiss, aber das wären sie auch, wenn Hillary Clinton ihre Präsidentin wäre.

Andererseits hat sich aber doch etwas getan. Für diejenigen, die die New York Times lesen oder CNN schauen, hat sich das Leben dramatisch gewandelt. Sie sind besorgt, sie sind deprimiert, ihr Leben ist stressiger geworden, sie sind aus der Fassung, und die Dunkelheit ist ihr ständiger Begleiter. Und sie sind verängstigt wie aufgeschreckte Hühner. Warum? Weil alles, was sie je befürchtet haben, auf einmal Wirklichkeit geworden ist. Kurzum: Nie war das Leben schwerer.

Vor ein paar Tagen zum Beispiel traf ich eine ziemlich berühmte jüdisch-amerikanische Führungspersönlichkeit, die mich warnte: »Sie müssen sehr genau aufpassen, was Sie über Donald Trump sagen oder schreiben.« Warum, fragte ich. »Wenn Sie etwas Negatives über ihn schreiben, wird er Sie verfolgen und zu Fall bringen. Er wird Ihr Leben endgültig zerstören.« »Sie belieben zu scherzen«, antwortete ich. »Nein. Ich kenne Donald Trump persönlich«, sagte mir dieser amerikanische Jude, und seine Stimme überschlug sich fast. »Es geht um Ihr Leben, Tuvia. Sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt. Ihr Leben liegt jetzt in Ihrer Hand. Es ist Ihre Entscheidung!«

Breitbart Aber auch für diejenigen, die Fox News schauen oder Breitbart News lesen, hat sich das Leben dramatisch verändert. Sie sind glücklich, sie sind aufgeregt, sie sind extrem entspannt, lächeln übers ganze Gesicht und fühlen sich auf der Sonnenseite des Lebens. Warum? Weil alles, von dem sie immer geträumt haben, endlich wahr geworden ist. Kurzum: Nie war das Leben schöner.

»Endlich«, sagte mir gestern Abend ein reicher und konservativer Jude, »hat Israel einen Freund im Weißen Haus!« Warum er das glaube, fragte ich. »Na, schauen Sie sich doch mal um!« Ich hätte mich umgesehen, sagte ich, könne aber nichts Bemerkenswertes entdecken. »Haben Sie denn nicht mitbekommen, wie Präsident Trump Premierminister Netanjahu im Weißen Haus empfangen hat? Das war doch einfach wunderbar!«

Hmm, nicht ganz. Was ich gesehen hätte, sagte ich, sei ein Präsident Trump gewesen, der sich benahm wie der typische New Yorker, der seinen Gast umschmeichelt, ihn aber letztendlich mit leeren Händen nach Hause schickt. Obendrein habe er Netanjahu wie einen Schuljungen behandelt, als er ihn ermahnte, er müsse schließlich auch ein paar Zugeständnisse machen. Genauso verhalte sich jeder New Yorker Immobilienhai, wenn man ihn um etwas bittet.

Mein Gegenüber sah mich an, senkte den Blick und wurde still.

Nachrichten Objektive Berichterstattung gibt es im Amerika von heute nicht mehr. Was Sie in einem Medium lesen oder sehen können, kommt in einem anderen überhaupt nicht vor. Was heute als »Nachrichten« verkauft wird, sind in Wirklichkeit Meinungen; Objektivität ist im heutigen amerikanischen Journalismus ein Schimpfwort.

Aber was ist die Wahrheit? Hat sich irgendetwas grundlegend geändert, seit Trump ins Weiße Haus eingezogen ist? Um diese Frage zu beantworten, muss man sich in Donald Trump hineinversetzen.

Der Typ ist, wie gesagt, ein Immobilienhai aus Queens, ein richtiger New Yorker Tycoon. Das Weiße Haus ist ein luxuriöser Ort, aber dieser Tycoon verfügt über zahlreiche luxuriöse Orte, und wenn er wollte, könnte er sich jeden Tag in jedem Land der Welt eine Kopie des Weißen Hauses bauen lassen.

Ja, ich weiß, wir reden hier über das Weiße Haus, aber mal ehrlich: Was ist schon so besonders daran? Klar, Trump ist jetzt Präsident und kann allerlei tolle politische Entscheidungen treffen. Und ja, jeden Tag probiert er etwas Neues aus, aber nichts bleibt hängen, und nichts davon ist so aufregend wie, sagen wir, der Bau eines neuen Casinos. Wenn er könnte, würde er das Weiße Haus um ein paar Etagen aufstocken – vielleicht so um die 120. Aber das wird nicht passieren, denn die Regierung wird keine zusätzlichen Stockwerke finanzieren, aus eigener Tasche wird er sie kaum bezahlen, und auch den Mexikanern könnte er die Rechnung in diesem Fall nicht präsentieren. Er muss das Weiße Haus so hinnehmen, wie es ist.

Und er gibt sich wirklich Mühe. Doch sein neuer Lebensstil erweist sich als extrem problematisch. Er lebt dort, er isst dort, und er schläft dort – ganz alleine. Seine Frau und seine Kinder – fragen Sie mich nicht, warum – sind meistens nicht bei ihm. So läuft er einsam und allein im Weißen Haus umher und versucht, etwas mit seinem Leben anzufangen. Aber was kann ein Mann in einem so großen Haus schon anstellen, nachdem er geschlafen, gegessen, geduscht, sein Haar gestylt und seine Fingernägel manikürt hat? Was würden Sie an seiner Stelle tun?

Sie würden natürlich zur Fernbedienung greifen!

cnn Und genau das hat Präsident Trump während des vergangenen Monats getan. Er guckt Fox News, was ihn sehr glücklich macht, und dann guckt er CNN und Saturday Night Live auf NBC, was ihn wiederum sehr deprimiert. Woher ich das alles weiß? Ich habe mich in ihn hineinversetzt, indem ich seine Tweets gelesen habe.

Außer mit seiner Fernbedienung herumzuspielen, meine lieben Freunde, hat dieser amerikanische Präsident noch nicht viel getan. In weniger als einem Monat hat er die Transformation vom Kandidaten Trump zum Präsidenten Trump geschafft, aber seine Politik, vor allem seine Außenpolitik, ist kaum von der Barack Obamas zu unterscheiden – mehr oder weniger zumindest. Taiwan wird als Staat anerkannt; sorry, wir bleiben bei der Ein-China-Politik. Zwei Staaten; sorry, ein Staat. Ein halber Staat, ein Viertelchina. Thai Food. Eine Siedlung, keine Siedlung. Putin Schmutin, Bibi Schmibi. Ivanka, Abdallah, alles klar? Egal, gib mir die Fernbedienung! Machen wir eine Pressekonferenz! Warum nicht, ist doch eh alles Show. Lass uns irgendjemanden feuern, veranstalten wir eine Großkundgebung! Fazit: Nichts hat sich wirklich geändert, und eine konsistente Politik gibt es nicht.

Und an meine lieben amerikanischen Juden gerichtet: Wenn ihr euch unbedingt elend fühlen wollt, findet bessere Ausreden dafür; und wenn ihr euphorisch sein wollt, findet bessere Gründe als einen einsamen Mann mit Fernbedienung.

Die nächsten Tage, Wochen und Monate werden vergehen, und der Grundstücksentwickler im Weißen Haus wird genau das tun, was alle guten Grundstücksentwickler tun: alles abreißen, bis auch der letzte Ziegelstein zerstört ist. Wenn dann nichts mehr da ist, was an das alte Gebäude erinnert, bestellt er ein paar kräftige Männer, die mit ihren Presslufthämmern auch noch das Fundament zu Staub machen.

Eines Tages wird dann hoffentlich ein neues Bauwerk aus der Asche entstehen. Was wird das für eines sein, wie wird es aussehen? Die Zukunft wird es zeigen. Das ist »The Art of the Deal«.

Live aus Trumpland,
Tuvia

Frankfurt am Main

Bildungsstätte Anne Frank zeigt Chancen und Risiken von KI

Mit einem neuen Sammelband will sich die Institution gegen Diskriminierung im digitalen Raum stellen

von Greta Hüllmann  19.04.2024

Kunst

Akademie-Präsidentin gegen Antisemitismus-Klausel

»Wir haben ein gutes Grundgesetz, wir müssen uns nur daran halten«, sagt Jeanine Meerapfel

 19.04.2024

Jehuda Amichai

Poetische Stimme Israels

Vor 100 Jahren wurde der Dichter in Würzburg geboren

von Daniel Staffen-Quandt  19.04.2024

Antisemitismus

Zentralrat der Juden äußert sich zu Hallervordens Gaza-Video

Das Gaza-Gedicht des Schauspielers wurde in den vergangenen Tagen massiv kritisiert

 19.04.2024

Streaming

»Bros«: Zwei Trottel, eine Bar

Die erste rein hebräischsprachige und israelische Original-Produktion für Netflix ist angelaufen

von Ayala Goldmann  18.04.2024

Interview

»Deutschland ist eine neurotische Nation«

Bassam Tibi über verfehlte Migrationspolitik, Kritik an den Moscheeverbänden und Ansätze für islamische Aufklärung

von Christoph Schmidt  18.04.2024

Verschwörungstheorien

Nach viel kritisiertem Israel-Hass-Video: Jetzt spricht Dieter Hallervorden

Der Schauspieler weist die Kritik an seiner Veröffentlichung zurück

 18.04.2024

Venedig

Israelhasser demonstrieren bei Kunstbiennale

Die Demonstranten forderten einen Boykott israelischer Künstler

 18.04.2024

Klassik

Eine Liebeserklärung an die Mandoline

Der israelische Musiker Avi Avital verleiht Komponisten wie Bach oder Vivaldi einen unverwechselbaren neuen Touch

von Christine Schmitt  18.04.2024