Physik

Wärme, Strahlen, Schwarze Löcher

Kollision von zwei Schwarzen Löchern (Simulation) Foto: Reuters

Die Schlagzeile klingt sensationell: Dem Physiker Jeff Steinhauer vom israelischen Technion-Institut ist es gelungen, dem Beweis einer Theorie von Stephen Hawking, die dieser im Jahr 1975 aufgestellt hatte, ein großes Stück näherzukommen. Die Theorie ist die der Hawking-Strahlung, also jener ominösen Strahlung, die Schwarzen Löchern entkommen kann. Doch was ist so ein Schwarzes Loch überhaupt?

Schwarze Löcher sind in der Physik schon lange bekannt. Aber sie sind nicht so einfach zu beobachten. Mit einem auf sie gerichteten Teleskop kann man sie selbst nicht sehen, sondern nur indirekt nachweisen. So dachte man bis 1975, als Stephen Hawking – aufbauend auf der Arbeit des theoretischen Physikers Jacob Bekenstein von der Hebräischen Universität Jerusalem – die Theorie der Hawking-Strahlung aufstellte. Daher war die Forschung über Schwarze Löcher und was man zu der jeweiligen Zeit über sie zu wissen glaubte, immer stark geprägt von Theorien innerhalb des zu der jeweiligen Zeit bekannten Modells der Physik.

Gravitation 1783 sprach der britische Naturforscher John Michell beispielsweise schon über »Dunkle Sterne«, deren Gravitation so groß sei, dass ihnen kein Licht entkommen könnte. Und auch Pierre Simon Laplace beschrieb eine ähnliche Idee 1796 und schuf dafür den Begriff der Dunklen Körper. Aber diese Ideen bewegten sich innerhalb der Newton’schen Physik und hatten damit bis auf die große Gravitation und dem Verschlingen von Licht noch nicht allzu viel mit dem zu tun, was wir heute aus Forschung und Popkultur als Schwarze Löcher kennen.

Erst nach Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie 1915 kam der deutsche Astronom Karl Schwarzschild 1916 auf eine Metrik – eine Metrik ist die Lehre von den Maßen –, die sich mit dem Gravitationsfeld einer punktförmigen Masse beschäftigte, der nach ihm benannten Schwarzschild-Metrik. Nach dieser war es möglich, in der Theorie die gesamte Masse der Sonne auf eine kleine Kugel mit nur sechs Kilometern Durchmesser zu reduzieren und damit in ein Schwarzes Loch zu verwandeln, aus dem kein Licht mehr entkommen könnte.

In den späten 20er-Jahren kamen dann Theorien auf, wonach massereiche Objekte oberhalb einer gewissen Grenze eben nicht zu »Weißen Zwergen« kollabieren könnten. (Ein Weißer Zwerg ist im Prinzip ein Stern im Endstadium, dessen Energievorrat aufgebraucht ist.) Stattdessen, so die Theorie, würden Schwarze Löcher oder Neutronensterne aus ihnen entstehen.

Kollaps Aber erst 1939 konnte Robert Oppenheimer in Zusammenarbeit mit Robert Serber und George Michael Volkoff durch Modellrechnungen nachweisen, dass beim Kollaps eines großen Sterns tatsächlich ein Schwarzes Loch entstehen würde – wobei man zu der Zeit Schwarze Löcher noch als schwarze Sterne oder auch als gefrorene Sterne bezeichnete; Letzteres, weil nach der Theorie der gravitativen Zeitverzerrung am Rand eines Schwarzen Lochs die Zeit stillzustehen scheint.

Der Begriff »Schwarzes Loch« ist erst seit 1964 nachgewiesen. Im Jahr zuvor hatte der Mathematiker Roy Kerr die Lösung für ein rotierendes Schwarzes Loch mit der Kerr-Metrik beschrieben, aber es sollte noch bis 1967 dauern, bis man bei einer Konferenz einen einprägsamen Begriff für ein »gravitationally completely collapsed object« suchte und einen Zuruf aus dem Publikum aufnahm – zum Glück, denn sonst wäre es den Schwarzen Löchern nicht erspart geblieben, ihr Dasein unter der wenig attraktiven Abkürzung GCCO zu fristen.

Modell Nun ist es also Jeff Steinhauer, der in Haifa am Israel Institute of Technology, dem Technion, forscht, gelungen, in einem Versuch die Analogie eines Schwarzen Lochs aufzubauen.

Die Theorie der Hawking-Strahlung – und die der Berkenstein-Hawking-Entropie, auf der sie basiert – besagt, dass die Oberfläche des Ereignishorizonts eines Schwarzen Loches ein Maß für dessen Entropie – das ist eine thermodynamische Zustandsgröße – sein müsste. Das bedeutet aber auch, dass ein Schwarzes Loch nach der Thermodynamik eine endliche Temperatur haben muss – und diese wiederum muss im thermischen Gleichgewicht mit ihrer Umgebung stehen. Und wenn sie in einem thermischen Gleichgewicht steht, dann bedeutet dies, dass ein heißes Schwarzes Loch eben doch zumindest thermische Strahlung abgeben muss.

Je wärmer ein Schwarzes Loch, desto mehr thermische Strahlung muss es also abgeben. Laut Hawking sind kleine Schwarze Löcher sehr warm und müssten so viel Wärmestrahlung abgeben, dass sie quasi verdampfen. Das ginge aber nicht besonders schnell – ein Schwarzes Loch mit der Masse unserer Sonne würde zehn hoch 64 Jahre (also eine 1 mit 64 Nullen) brauchen, um zu verdampfen, und wir reden hier von einem sehr kleinen Schwarzen Loch.

Steinhauers Analogie ist natürlich kein echtes Schwarzes Loch. Stattdessen simulierte er einen Ereignishorizont, in dem er Helium auf -273,15 Grad Celsius abkühlte. Dies ist nahe dem absoluten Nullpunkt. Dieses Helium erhitzte er dann sehr schnell, dadurch entsteht eine Grenze, die von Schallwellen in der Theorie nicht durchbrochen werden kann – also genau so wie bei einem Schwarzen Loch der Ereignishorizont eine Grenze ist, die von Strahlung nicht durchbrochen werden kann.

»Kleine Partikel von Energie, die Schallwellen darstellen, leckten eben doch aus dem schwarzen Schallloch«, sagt Steinhauer, »genauso, wie es von Hawkings Gleichungen vorhergesagt war.« Der Professor, der an der University of California Atomphysik studierte und als Postdoktorand am Weizmann-Institut in Rechovot und am Massachusetts Institute of Technology (MIT) arbeitete, klingt zufrieden. Schließlich beschäftigt er sich schon lange Zeit schwerpunktmäßig mit den Schwarzen Löchern und ihrem Nachweis.

Nobelpreis Ob Stephen Hawking glücklich über Steinhauers Forschungsergebnis ist, ist hingegen nicht bekannt. Der britische Physiker ist Unterstützer der israelfeindlichen BDS-Bewegung und beteiligte sich 2013 am akademischen Boykott einer Konferenz in Jerusalem – allerdings unter dem Vorwand, er sei plötzlich erkrankt. Andererseits sind sich israelische Wissenschaftler recht sicher, dass Hawking durch Steinhauers Arbeit dem ersehnten Nobelpreis ein Stück nähergekommen ist.

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