Fussball-EM in Israel

Schland am Strand

Ram Dori steckt mitten im Vor-EM-Stress: In der WhatsApp-Gruppe wird anhand des Spielplans schon heiß diskutiert. Bis Freitag muss er noch seine Tipps für die Vorrunde abgeben. »Ich finde Deutschland nicht schlecht, glaube aber, dass uns dieses Jahr ein Außenseiter überraschen wird. Belgien zum Beispiel«, sagt der 30-Jährige. Wie schon bei der vergangenen Fußball-Weltmeisterschaft beteiligt sich Ram an einem Tippspiel, das Freunde organisieren. 30 Jungs sind dabei, Fußballbegeisterte, die sich auch sonst zur Übertragung von Spielen in der Champions League und zu israelischen Spielen treffen, gemeinsam schauen, in Bars oder zu Hause.

Statt Fähnchen und Trikots setzen sie auf Bier und Grillgut. »Unser italienischer Freund Dani wird aber sicher sein Italien-Trikot anziehen. Ansonsten geht es uns nicht um ein bestimmtes Land, mehr um spannende Spiele und gute Stimmung.«

Expats In einem Einwanderungsland, in dem Menschen aus ganz Europa und mit den unterschiedlichsten europäischen Wurzeln leben, und das es in diesem Jahr selbst wieder nicht zur Europameisterschaft geschafft hat, werden in den kommenden Wochen so ziemlich alle Fähnchen in den Bars und Wohnzimmern flattern. Neben israelischen Fußballverrückten füllen europäische Neueinwanderer und Expats die Bars des Landes.

So trifft die deutsche Botschaft in diesem Jahr auf den israelischen FC-Bayern-Fanklub: Anstatt wie sonst in einer Strandbar in Tel Aviv zu gucken, laden die Deutschen nach Petach Tikwa in die Stammbar der Bayern-Fans, das »Jackie O«, ein. Und der Fanklub tauscht für die kommenden Wochen die roten Bayern- in weiße Deutschland-Trikots. »Es ist in Israel ganz typisch, dass Fans eines bestimmten Vereins zur EM oder WM zum jeweiligen Land wechseln«, sagt der Besitzer und Manager der Bar, Tom Kaufman. »Ich selbst bin Juventus-Fan und jubele für Italien.« 250 Sitzplätze hat er, 200 Gäste können stehen. »Bei den wichtigen Spielen herrscht hier eine Stimmung wie im Stadion. Die Leute jubeln und schreien. Bei Champions-League-Spielen haben wir sogar Ansager, die die Tore und die Namen der Spieler verkünden.«

Für die Bar hat er bereits Fahnen aller Länder gekauft und für sein Team Trikots organisiert: »Wir haben einen speziellen Deal mit einer Brauerei, die uns die Trikots von sechs beliebten Teams gesponsert hat, auf denen auch unser Logo abgebildet ist.« Neben Deutschland sind es Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und Schweden.

Wenn die Angehörigen der deutschen Vertretung mitfeiern, tendiere die Stimmung aber stark zu Deutschland, so Kaufman. »Die Botschaft gibt den ersten 100 Gästen Freibier aus. Außerdem haben wir einen Kickertisch organisiert, weil der deutsche Botschafter vor Spielbeginn gegen Vertreter anderer Länder antreten will.«

Deutsche Trikots und Fähnchen in Schwarz-Rot-Gold – was in Deutschland lange noch ein ungewohntes Bild war, ist für die meisten Israelis kein Problem, sagt Tom Kaufman: »Wir wissen, dass Deutschland heute auf der Seite Israels steht. Angela Merkel ist sehr beliebt. Wir dürfen nicht stehen bleiben, sondern müssen nach vorn blicken.«

Identifikation Und so werden sich auch Miriam Braun und ihre Tochter die Wangen schwarz-rot-gold anmalen: »Klar jubeln wir für Deutschland«, sagt die geborene Münchnerin, die vor vier Jahren Alija gemacht hat. »Mir war es immer wichtig, dass sich meine Kinder mit dem Land identifizieren können, in dem sie aufgewachsen sind.« Heute wohnt die 52-Jährige mit ihrer Tochter Dana und ihrem Mann Jossi Weinrauch, ebenfalls ein Münchner Kindl, der aber bereits seit seiner Jugend in Israel lebt, in Netanja.

Das Herz schlägt in diesen Wochen für die deutsche Mannschaft. Wie schon zur WM in Brasilien vor zwei Jahren lädt Miriam Freunde zum gemeinsamen Fußballgucken ein. Das Wohnzimmer wird voll sein, weiß sie aus Erfahrung. Sie wird Brezn, selbst gemachten Obazdn, Würstchen und deutsches Bier servieren – alles bayerisch. »Die Stimmung ist immer toll, der Fernseher läuft, und alle jubeln und schreien so laut, dass wir während der WM 2014 sogar eine Sirene überhört haben.« Damals steckte das Land mitten in der Operation »Protective Edge« zur Verteidigung gegen den andauernden Raketenbeschuss durch die Hamas und andere militante palästinensische Gruppen.

Sorgen um die Sicherheit machen sich in diesem Jahr vielmehr die Israelis, die nach Frankreich zur EM fahren wollten. Wie der 30-jährige Rotem Tzuk, der mit zwei Freunden aus Uni-Zeiten bereits vor einem Jahr bei der UEFA-Lotterie Tickets für das Viertel- und Halbfinale sowie das Endspiel ergatterte: Rund 2000 Euro zahlte jeder von ihnen für sechs Spiele. »Wochenlang haben wir den Trip geplant, Flüge und Hotels gebucht«, erzählt er.

Nun versuchen die drei, ihre Tickets wieder zu verkaufen. »Richtige Zweifel kamen uns vor rund eineinhalb Wochen, als die USA eine Reisewarnung für Europa ausgegeben haben«, sagt Rotem. »Es ist nicht, dass wir Angst haben. Aber unter diesen Bedingungen ist die Stimmung dahin. Wir wollten Spaß haben, Menschen aus aller Welt treffen. Jetzt aber ist die Atmosphäre angespannt. Deswegen haben wir uns entschieden, den Trip abzusagen.«

Tel Aviv Stattdessen wollen sie sich dennoch einen Tag freinehmen, in Tel Aviv an den Strand gehen und abends Fußball schauen, um sich zumindest kurz wie im Urlaub zu fühlen. »Einer der beiden Freunde kam auf die Idee, vielleicht in Zypern oder Griechenland eine Villa zu mieten und dort zu schauen. Ich hätte aber nichts dagegen, einfach hier zu bleiben.«

So oder so will Rotem die Fahne der Tschechischen Republik schwenken, zumindest während der Vorrunde. »Mein Vater kommt von dort, deswegen habe ich die Fahne gekauft. Aber ich habe keine großen Hoffnungen.« Wenn das Land raus ist, drückt er England die Daumen. »Ich bin ansonsten Fan von Manchester United. Letztlich geht es uns aber mehr um die Stimmung als um ein bestimmtes Team.«

So sehen es auch Ram Dori und seine Freunde. Ram hofft zumindest, dass möglichst viele der Länder gewinnen, auf die er setzen wird. Zusammen mit seinen Freunden will er so viele Spiele wie möglich sehen. »Das geht dieses Mal besser als bei der WM, weil es fast keine Zeitverschiebung gibt.« Schwieriger könnte es höchstens für die frisch gebackenen Väter in seinem Freundeskreis werden. Ram scherzt: »Doch auch die haben zu Hause schon eine Genehmigung beantragt und werden bei vielen Spielen dabei sein.«

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