Finale

Der Rest der Welt

Haschem in der Cloud: Warum ich gegen WLAN in Synagogen bin

von Ayala Goldmann  30.05.2016 18:15 Uhr

Foto: Thinkstock

Haschem in der Cloud: Warum ich gegen WLAN in Synagogen bin

von Ayala Goldmann  30.05.2016 18:15 Uhr

Geben Sie zu, auch Sie haben schon mal unter der Bank, auf der Empore oder auf der Toilette auf ihr Smartphone geschaut, wenn sich der Gottesdienst in die Länge zog und die Predigt des Gemeinderabbiners allzu langatmig ausfiel.

In mehreren liberalen Synagogen musste ich bereits beobachten, wie Beterinnen und Beter am Schabbes nicht von ihren Geräten lassen konnten, bin aber durchaus auch in orthodoxen Gotteshäusern Zeugin dieses halachawidrigen Verhaltens geworden. Ich selbst praktiziere das natürlich nie, ich besitze ein (nicht internetfähiges) Klapphandy für 19,90 Euro. Aber was wollen Sie von Kids erwarten, die zum sechsten Geburtstag das erste iPhone bekommen und am Schabbat mit dem Geländewagen zum Gottesdienst kutschiert werden, wobei die Eltern das Auto zwei Straßen weiter parken, damit der Rabbiner beide Augen fest zudrückt?

EKBO Vielleicht sollten wir uns ein Beispiel an unseren jüngeren Brüdern nehmen und das Surfen in der Synagoge offiziell einführen? Die Evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz (EKBO), deren aktuelle Mitgliederzahlen in der kommenden Woche veröffentlicht werden, macht es vor: Mit »Godspot«, einem kostenlosen WLAN-Angebot in 220 Kirchen, möchte die EKBO, wie der Leiter ihres IT-Referats, Fabian Kraetschmer, sagt, ihren »Beitrag zur Netzpolitik, zur Netzneutralität und zur Steigerung der Medienkompetenz« leisten und die Kirche wieder zum Ort der »Kommunikation, des vertraulichen Austausches und des Handeltreibens auf dem Kirchplatz machen«.

Halleluja! Ist der digitale Tempel nicht eine wunderbare Idee, für Christen wie für Juden? Hand aufs Herz, unsere Mitgliederzahlen waren auch schon mal besser.

Um es mit Kraetschmer zu sagen: »Wenn sich ein Besucher eines Gottesdienstes ablenken lässt, egal wovon, dann haben wir ein Predigtproblem und kein ›Godspot‹-Problem!« Allerdings frage ich mich, ob Juden tatsächlich »Godspot« brauchen, wo doch die Schechina unter uns weilt. »Und die Wolke bedeckte das Zelt der Zusammenkunft, und die Herrlichkeit des HERRN erfüllte die Wohnung«, steht in der Tora.

Smartphone Sind wir für einen Draht zu Gott also auf WLAN angewiesen? Falls Haschem in der Cloud wohnt, dann tut er das seit Tausenden von Jahren und kommuniziert mit uns auf althergebrachten Wegen: schriftlich, mündlich – auf jeden Fall offline! Sollten wir es nicht dabei belassen? Ist es nicht wunderbar, wenigstens an einem Tag in der Woche einen Ort auf dieser Welt zu finden, an dem Smartphones unerwünscht sind?

Ich finde, »Netzneutralität« ist ein urjüdisches Gebot: Wir waren doch niemals Menschenfischer, weder am See Genezareth noch in Berlin. Aber vielleicht treffen wir in unseren Synagogen bald auf Kirchgänger, die wenigstens am Samstag mal ein paar Stunden abschalten möchten?

Bonn

Beethoven-Haus zeigt Ausstellung zu Leonard Bernstein

Die lebenslange Beschäftigung des Ausnahmetalents mit Beethoven wird dokumentiert

 25.04.2024

Potsdam

Chronist der neuen Weiblichkeit

Das Museum Barberini zeigt Modiglianis Menschenbilder in neuem Licht

von Sigrid Hoff  25.04.2024

München

Ausstellung zeigt Münchner Juden im Porträt

Bilder von Franz von Lenbach und anderen sind zu sehen

 25.04.2024

Wien

Spätwerk von Gustav Klimt für 30 Millionen Euro versteigert

Der Künstler malte das »Bildnis Fräulein Lieser« kurz vor seinem Tod

 25.04.2024

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024

Kommentar

AfD in Talkshows: So jedenfalls nicht!

Die jüngsten Auftritte von AfD-Spitzenpolitikern in bekannten Talk-Formaten zeigen: Deutsche Medien haben im Umgang mit der Rechtsaußen-Partei noch viel zu lernen. Tiefpunkt war das Interview mit Maximilian Krah bei »Jung & Naiv«

von Joshua Schultheis  24.04.2024

Meinung

Der Fall Samir

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Essay

Was der Satz »Nächstes Jahr in Jerusalem« bedeutet

Eine Erklärung von Alfred Bodenheimer

von Alfred Bodenheimer  22.04.2024

Sehen!

Moses als Netflix-Hit

Das »ins­pirierende« Dokudrama ist so übertrieben, dass es unabsichtlich lustig wird

von Sophie Albers Ben Chamo  22.04.2024