»Der Ghetto Swinger«

Schumann am Kudamm

In Szene gesetzt: Helen Schneider (l.) als Conférencier und Konstantin Moreth (r.) als Coco Schumann Foto: Tino Crisó

Eine Show am Theater am Kurfürstendamm über das Leben der Swing-Legende Coco Schumann, geboren 1924 in Berlin, der Auschwitz nur deshalb überlebte, weil er mit seinen »Ghetto-Swingern« erfolgreich gegen den Tod anspielte? Das klingt nicht gerade nach guten Voraussetzungen für einen rauschenden Premierenabend. Schwieriges Thema, dieses Auschwitz.

Zumal auf einer Boulevard-Bühne. Dabei spielt dem Regisseur Gil Mehmert vor allem die herrliche Musik in die Karten, um das (Über-)Leben Schumanns zu illustrieren. Die guten alten Swing-Nummern der 30er-Jahre, mit denen der Musiker KZ-Aufseher und Mithäftlinge einst bei Laune und Leben hielt, sind auch heute noch großartig. Hollaender, Waldorf und Weill – sie zählen zum Besten, was Deutschland in den 30ern zu bieten hatte.

Chuzpe Was also ist von dem Stück zu halten? Konstantin Moreth als Coco müht sich redlich, seiner verdaddelten Rolle ein wenig Glanz zu verleihen, dabei hätte doch Schumanns Leben viel Raum für Verve und Chuzpe geboten. Und so lenkt der Blick fast automatisch zu seiner grandiosen Partnerin hin, zu Helen Schneider, die notgedrungen Dreh- und Angelpunkt des Abends ist. Sie singt, spielt, tanzt und moderiert abwechselnd und wird von einer Jazzband begleitet, die ihre Sache mehr als gut macht.

Aber es geht bei dem Programm ja nicht um eine launige Nummernrevue mit den »Good Old Songs«, die Schumann auch schon mal gespielt hat. Im Mittelpunkt steht vielmehr »das Leben des Jazzmusikers Coco Schumann«, wie das Stück im Untertitel heißt.

Vom Steppke, der den Jazz durch seinen Onkel entdeckte, hin zu den ersten Versuchen in der verruchten Rio-Rita-Bar, seiner Doppelexistenz als Klempner und Jazzgitarrist im Untergrund und schließlich die Verhaftung, Deportation, und Befreiung – das volle Programm sozusagen. Und danach der Neuanfang im Nachkriegsberlin und ein 40-jähriger bleierner Mantel des Schweigens.

Als dramaturgisches Stilmittel wird kräftig Schwarz-Weiß gekleckst. Am Bühnenrand prangt ein großer Davidstern, damit man die hinterste Reihe im Rang noch sehen kann, dass es sich um ein jüdisches Stück handelt, weil ja der Coco Schumann ebenfalls Jude ist. Hier die Halbstarken, die nur den geilen Swing spielen wollen – dort der tumbe Nazi, der bescheuerte völkische Marschmusik röhrt. Und weil das zu sehr an didaktisches Schülertheater erinnert, wird auch noch ein wenig Humor eingestreut. Der Kalauer »Swing Heil« war da noch einer der besseren. Manchem gefiel’s trotzdem.

»Der Ghetto Swinger«. Theater am Kurfürstendamm Berlin, bis 29. Mai

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