Jüdisches Museum Hohenems

Ein großes kleines Haus

Es gibt in Deutschland und Österreich große jüdische Museen wie die in Berlin, München, Frankfurt am Main oder Wien. Daneben existieren kleine Museen in der Provinz von Augsburg bis Worms. Und es gibt das Jüdische Museum Hohenems.

Formal zählt das Haus im Dreiländereck zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz nahe des Bodensees zu den kleineren Einrichtungen seiner Art. Die Ausstellungsfläche beträgt gerade einmal 260 Quadratmeter. (Zum Vergleich: Beim Jüdischen Museum Berlin ist es mit 3000 Quadratmetern mehr als das Zehnfache.) Aber das Programm in Hohenems kann mit dem der Großen mehr als mithalten.

Ausstellungen In dem Museumsgebäude, einer früheren jüdischen Fabrikantenvilla im Zentrum der vorarlbergischen Kleinstadt, sind seit der Eröffnung 1991 Ausstellungen zu den unterschiedlichsten Facetten jüdischen Lebens zu sehen gewesen: Edward Serottas Fotos aus dem vom Bürgerkrieg zerstörten Sarajewo (1995), »Souvenirs aus Israel« (1999), »Jewish Foodshops in New York« (2003), »Jüdische Kindheiten und Jugend in Deutschland, Österreich und der Schweiz nach 1945« (2004), »Jüdischer Kitsch« (2005, in Zusammenarbeit mit dieser Zeitung), »Hast du meine Alpen gesehen?« über das besondere Verhältnis von Juden zu den Bergen (2009), Bilder von Mikwaot (2010), »Treten Sie ein! Treten Sie aus! Warum Menschen ihre Religion wechseln« (2012), Porträts israelischer Paare (2013), »Jukebox. Jewkbox! Ein jüdisches Jahrhundert auf Schellack und Vinyl« (2014) sowie »Endstation Sehnsucht. Eine Reise durch Jerusalem« (2015/2016).

All diese Ausstellungen – und die genannten sind nur eine Auswahl – haben eines gemein: Sie ermöglichen den in der großen Mehrzahl nichtjüdischen Besuchern einen Blick auf das Judentum jenseits der stereotypen Trias von Religion, Schoa und Nahostkonflikt. Und das bei aller intellektuellen Tiefe stets unterhaltsam, nicht didaktisch.

Das ist nicht zuletzt das Verdienst von Hanno Loewy. Der promovierte Kulturwissenschaftler übernahm 2004 die Leitung des Museums. Bis dahin war das Haus, wie viele seiner Art, primär ein jüdisches Heimatmuseum gewesen. Hohenems war seit 1617 bis zur Schoa ein Zentrum jüdischen Lebens im Bodenseeraum und seiner Umgebung.

Regionalgeschichte Die 2007 inhaltlich und formal neu konzipierte Dauerausstellung erzählt anhand zahlreicher Exponate und anderer Zeugnisse von dieser jüdischen Regionalgeschichte, zu deren bekanntesten Vertretern der Komponist Salomon Sulzer zählt, einer der großen Erneuerer der Synagogalmusik im 19. Jahrhundert. Zum 25-jährigen Jubiläum wird das Haus nun vom 10. April bis zum 2. Oktober unter dem Titel »Übrig« seine neuere Sammlung von Zeugnissen jüdischer Geschichte in Vorarlberg, Tirol und im weiten Bodenseeraum zeigen.

Jüdische Regionalgeschichte ist und bleibt also ein Standbein des Museums in Hohenems. Doch längst ist das Haus mehr als eine zentrale Kultureinrichtung. Seine Besucher kommen seit Jahren aus ganz Österreich, Deutschland und der Schweiz, um Ausstellungen zu sehen oder Vorträge, Konzerte und Diskussionen zu hören.

Und Hanno Loewy wird trotz gelegentlicher Angebote großer Häuser und trotz immer wiederkehrender Anfeindungen der örtlichen rechtspopulistischen FPÖ dem Jüdischen Museum Hohenems hoffentlich lange als Leiter erhalten bleiben.

www.jm-hohenems.at

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  28.03.2024

Sachbuch

Persönliches Manifest

Michel Friedman richtet sich mit seinem neuen Buch »Judenhass« bewusst an die allgemeine Öffentlichkeit, er appelliert aber auch an den innerjüdischen Zusammenhalt

von Eugen El  28.03.2024

USA

Daniel Kahneman ist tot

Der Wissenschaftler Daniel Kahneman kombinierte Erkenntnisse aus Psychologie und Ökonomie

 28.03.2024

Bildung

Kinderbuch gegen Antisemitismus für Bremer und Berliner Schulen

»Das Mädchen aus Harrys Straße« ist erstmals 1978 im Kinderbuchverlag Berlin (DDR) erschienen

 27.03.2024

Bundesregierung

Charlotte Knobloch fordert Rauswurf von Kulturstaatsministerin Roth

IKG-Chefin und Schoa-Überlebende: »Was passiert ist, war einfach zu viel«

 26.03.2024

Kultur

Über die Strahlkraft von Europa

Doku-Essay über die Theater-Tour von Autor Bernard-Henri Levy

von Arne Koltermann  26.03.2024

Projekt

Kafka auf Friesisch

Schüler der »Eilun Feer Skuul« in Wyk auf Föhr haben ihre friesische Version des Romans »Der Verschollene« vorgestellt

 25.03.2024

Berlin

Hetty Berg als Direktorin des Jüdischen Museums bestätigt

Ihr sei es gelungen, die Institution »als Leuchtturm für jüdisches Leben« weiterzuentwickeln, heißt es

 25.03.2024

Judenhass

Wie der Historikerstreit 2.0 die Schoa relativiert

Stephan Grigat: Der Angriff auf die »Singularität von Auschwitz« kommt nun von links

 25.03.2024