Baruch Obama

Baruch Obama

von Anjana Shrivastava

Barack Obama bewegt sich zwischen den religiösen Gruppen Amerikas mit derselben Leichtigkeit, die man bereits von seiner Politik gegenüber den verschiedenen Ethnien des Landes kennt. Denn der neue Präsident der USA repräsentiert nicht eine bestimmte Glaubensrichtung, sondern er steht gleich für mehrere Religionen. Dabei spielt sein Verhältnis zum Judentum eine ganz besondere Rolle.
»Wenn Bill Clinton als unser erster schwarzer Präsident gilt«, scherzt Obamas politischer Mentor, Abner Mikva, »dann ist Barack Obama unser erster jüdischer Präsident«. Doch Mikva, Demokrat aus Chicago, scherzt nur zum Teil. Die Chicago Tribune beschrieb jüngst, welche wichtige Rolle jüdische Amerikaner in Barack Obamas Werdegang gespielt haben.
Rabbi Arnold Wolff von der Isaiah Israel Synagogue in Chicago drückt den gleichen Sachverhalt anders aus: »Obama ist von überall und nirgendwo her, genau wie wir Juden.« Abner Mikva sagt sogar, Obama sei eine »yiddishe neshuma«, eine jüdische Seele. »Das heißt, er ist eine empfindliche, sympathische Persönlichkeit, jemand, der versteht, woher du kommst.«
Dieses Verständnis von Obama als Außenseiter ist auch bei Amerikas Muslimen verbreitet. »Obama kann grundverschiedene Gruppen zusammenbringen«, sagt James Zogby, Chef des Arab-American Institute in Washington. Inoffiziell wird ge-
schätzt, dass 78 Prozent der amerikanischen Juden und rund 70 Prozent der Muslime für Obama stimmten.
Sogar die religiöse Gruppe, die Obamas politischem Programm am wenigsten entspricht, die Evangelikalen, nähert sich vorsichtig an. Zwar wählte ihn nur ein Viertel dieses Lagers, doch Obama versicherte schon früh, dass es das Amt für »Faith-Based Initiatives«, das George W. Bush eingerichtet hatte, weiter geben werde. Dort entwickelt man Initiativen gegen AIDS in Afrika, die auch Bush-Nachfolger Obama weiter unterstützen wird. Auf diese Weise sorgt er dafür, dass junge fundamentalistische Christen sich nun nicht mehr nur mit Abtreibungsverbot oder vorehelicher Keuschheit beschäftigen, sondern auch mit Themen wie der Klimakatastrophe oder Armut.
Mit Obamas Präsidentschaft eröffnen sich die Demokraten neue Wege in das bisher von einer Wagenburg-Mentalität geprägte evangelikale Lager. Unmittelbar nach seiner Nominierung als Präsidentschaftskandidat berief Obama ein Treffen mit 40 christlichen Führungspersönlichkeiten ein. Dort wurde über heikle Themen wie Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehe gesprochen.
Obama genießt derzeit ein breites Vertrauen, gerade wenn es um religiöse Themen geht, denn er versteht es, die verschiedenen Konfessionen direkt anzuspre- chen. »Vom Judentum habe ich intellektuell genauso viel gelernt wie von jedem anderen Glauben«, sagt er. Und scherzt, sein Name hätte eher »Baruch« heißen sollen, denn das Swahili-Wort »Barack«, Segen, sei ja etymologisch verwandt.
In einer berühmten Rede, die er 2006 in Washington hielt, bezeugte Obama sein eigenes »Born Again«-Bekenntnis zum Christentum. Die schwarze Kirche hat seiner Meinung nach die existenzielle Aufgabe, »den Hungrigen Essen zu geben, die Nackten zu bekleiden.« Erst in diesem Umfeld entwickelte er sich vom Agnostiker zu einem gläubigen Menschen.
Diese Grundsatzrede ließ die religiösen Führer Amerikas aufhorchen – und manch säkularen Progressiven schaudern. Obama unterstrich seine Absicht, neue Wege zu beschreiten. Er will, dass die Progressiven sich wieder dem Glauben öffnen, denn so sei Fortschritt besser und schneller zu erreichen.
Obamas Offenheit könnte zu einer nie gekannten Verständigung der Religionen in den USA führen. Er träumt von einem »großen Zelt«, in dem sich verschiedene Konfessionen begegnen. In diesem Sinne hielten seine Unterstützer vor der Wahl »Faith House Parties« in hart umkämpften Bundesstaaten ab, wo Protestanten, Katholiken, Juden und andere über ihre religiösen Ansichten sprachen.
Ausgerechnet diese Art, sich möglichst neutral und gleichzeitig hochpolitisch zu geben, war es, die zu Brüchen in Obamas eigenen religiösen Bindungen geführt hat. Nachdem zwei Prediger seiner Chicagoer Trinity Church wiederholt kontroverse Predigten hielten, verließ Obama unter politischem Druck nach 20 Jahren seine Kirche. Ins Weiße Haus zieht Obama nun ohne direkte kirchliche Bindung – auch das ein Novum für einen US-Präsidenten.
In den USA herrscht zwar traditionell eine strikte Trennung zwischen Staat und Kirche, weshalb nicht nur keine Kirche direkten Zugriff auf die amerikanische Politik hat, der Staat sich aber umgekehrt auch nicht in kirchliche Belange einmischen darf. Aber gerade diese Trennung hat die Religion in den USA zu einer Einrichtung werden lassen, in der gleichzeitig moralische Ideale in Reinform entwickelt und auch Ressentiments gepflegt werden können. Der amerikanische Gottesdienst bleibt vielerorts ein Ort der Rassentrennung. »Weiße Evangelikale« und »schwarze Kirche« sind stehende Begriffe. Auch deshalb bewegen sich so viele Politiker beim Thema Religion wie auf einem Minenfeld – immer haben sie Angst vor dem nächsten Schritt.
Am Ende wurde die Trinity Church auch für Obama zum nicht mehr lösbaren Problem. In den 60er-Jahren war dort die »Black Liberation Theology« gepflegt worden. Nach dem Übertritt von Malcolm X zum Islam gab es Stimmen, die das Christentum als »Religion des weißen Mannes« diffamierten. Mit der schwarzen Befreiungstheologie haben Prediger wie Jeremiah Wright dafür sorgen wollen, dass der schwarze Nationalismus auch in der Kirche einen Ort findet.
Obama hat gesagt, er habe die inzwischen berüchtigten Tiraden Wrights nicht persönlich gehört. Das zu glauben, fällt schwer. Vielmehr mag Obama derartige Missklänge auf seine ihm eigene, distanzierte Art einfach überhört haben: Ihn hat schon immer mehr das interessiert, was er persönlich als die tiefere und verbindende Wahrheit von Wrights sozialem Engagement verstand.
Nicht anders verhält es sich mit seiner umstrittenen Einladung an den führenden weißen Evangelikalen Rick Warren, der die Hauptpredigt bei Obamas Amtseinführung am kommenden Dienstag sprechen soll. Warrens Ansichten zu Homosexualität rufen Empörung bei breiten Teilen der Anhängerschaft des künftigen Präsidenten hervor. Vermutlich hat Obama auch hier mehr das Verbindende zwischen seinem Ansatz und dem sozialen Engagement des dynamischen Predigers in den Vordergrund gestellt. Zudem beauftragte Obama mit dem Anglikaner Gene Robinson, einen schwulen Bischof damit, zum Auftakt der Feierlichkeiten das Gebet zu sprechen.
Obama verfolgt seine religiöse Politik mit einer Mischung aus Glauben und Zweifel. Er verlangt von seinen säkularen Anhängern, dass sie sich dem Glauben zumindest gedanklich öffnen, denn er ist der Überzeugung, dass die moralische Sprache der Religion ihren Platz in der Öffentlichkeit haben muss. Umgekehrt scheint Obama von den Gläubigen zu fordern, dass sie nicht strikt auf ihrem Glauben beharren, sondern zulassen, dass religiöse Wahrheiten auch infrage gestellt werden können. Ist dies der Weg nach vorn? Oder wird es hier großen Widerspruch geben?
Offenbar ist Obama überzeugt davon, dass eine Mehrheit der Amerikaner – ob gläubig, atheistisch, säkular oder tief religiös – mit einem solchen, spirituell aufgeklärten Diskurs in der Öffentlichkeit leben kann. Mit dem neuen Präsidenten wird es also eine originelle Synthese aus Glauben und Skepsis, Säkularität und Bibelfestigkeit geben.
Wie hieß es so schön? Change, we can believe in.

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