Kino

»Ein Denkmal setzen«

Filmprozudent Artur Brauner Foto: Stephan Pramme

Herr Brauner, am 7. März werden Sie eine Sammlung von 21 Filmen, die sich mit der Schoa beschäftigen, dem Jüdischen Museum überreichen. Wie ist die Idee für diese Schenkung zustande gekommen?
Ich habe sogar 25 Filme über den Nationalsozialismus produziert. Zuletzt entstand in Zusammenarbeit mit dem Verein für jüdische Medien e.V. in München die Serie 183 Tage – Der Auschwitz-Prozess. Dabei handelt es sich um einen Mehrteiler, der den Ablauf des gesamten Prozesses vom ersten bis zum letzten Tag darstellt. Von diesen 25 Filmen werden nun 21 dem Jüdischen Museum zur Verfügung gestellt, sodass diese unentgeltlich einer breiten Öffentlichkeit zugänglich sind. Auf diese Weise soll unabhängig von Nationalität oder Ethnie allen Opfern ein Denkmal gesetzt werden. Sie dürfen niemals in Vergessenheit geraten. Das ist mein Wunsch.

Sie haben sich bereits 1948 mit »Morituri – Die Todgeweihten« filmisch an das Thema Nazi-Verbrechen herangewagt. Das kam damals beim deutschen Publikum nicht besonders gut an. Was hat Sie bewegt, trotzdem weiter Filme über das Dritte Reich und die Schoa zu produzieren?
Tatsächlich habe ich mich mit Morituri an ein Naziverbrechen mit einer ganz eigenen Geschichte herangewagt. Für diesen politisch und menschlich außerordentlich wichtigen Film habe ich damals jede verfügbare Mark beiseitegelegt, um so bald wie möglich mit der Produktion beginnen zu können. Aber bei der Premiere von Morituri wurde in Hamburg ein Anschlag verübt. Daraufhin nahmen viele Kinobesitzer den Film aus Angst aus dem Programm. Und deshalb entstand auch von Anfang an ein finanzieller Verlust.

In einem Interview erwähnten Sie einmal, dass Sie mit diesen 21 Filmen 16,4 Millionen Euro verloren haben. Nun sind diese Bestandteil von Sammlungen in Berlin und schon seit Jahren in Yad Vashem – Sammlungen, die Ihren Namen tragen. Ist das ein gewisser Ausgleich?
Mir war bereits nach den Erfahrungen mit Morituri klar, dass ich mit diesen Filmen nur Verluste machen werde, aber das war für mich absolut sekundär. Die Reaktionen zeigten mir, dass es mit dem Nationalsozialismus in Deutschland noch lange nicht vorbei war. Eher das Gegenteil schien der Fall. Selbst unter Jugendlichen gewann diese Ideologie wieder an Zustimmung, sodass es plötzlich auch neue Nazis gab. Mein Motto hierzu hätte also eigentlich lauten sollen: Produziere bloß keinen Antinazifilm, da du damit nicht nur deine wirtschaftliche Existenz gefährdest, sondern unter Umständen auch mit Gewalt konfrontiert wirst. Aber ich habe anders gehandelt.

Gibt es aus dieser Sammlung Filme, die für Sie eine ganz besondere Bedeutung haben?
Selbstverständlich ist jeder dieser Filme Teil einer Mission. Die Nazibewegung soll gestoppt werden, und die Gräueltaten von damals dürfen niemals in Vergessenheit geraten. Es muss immer wieder daran erinnert werden.

Sie haben dabei oft mit Zeitzeugen oder Überlebenden zusammengearbeitet. War Ihnen das wichtig, um den Filmen ein möglichst hohes Maß an Authentizität zu verleihen?
Die Zusammenarbeit mit Zeitzeugen hat immer eine wichtige Rolle für mich gespielt. Man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass jedem Überlebenden nur ein Wunder geholfen haben kann. Jedem sollte klar sein, dass diese Menschen einen besonderen Umgang verdienen und manchmal auch besonderer Unterstützung bedürfen. Und deshalb habe ich es vorgezogen, mit Regisseuren wie Gerd Oswald, Fritz Lang oder Robert Siodmak zusammenzuarbeiten.

Sie traten immer als Produzent von Filmen in Erscheinung. Als Schauspieler wollten Sie es nicht versuchen?
Wenn ich mir vorstelle, dass ich ein Schauspieler wäre und mit mir, dem Produzenten, über eine Gage verhandeln müsste, dann würde ich doch lieber einen anderen Beruf wählen.

Mit dem Filmproduzenten sprach Ralf Balke.

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