Düsseldorf

Schule von morgen

Ideen austauschen, Anregungen bekommen, Netzwerke bilden – drei Tage lang nutzten Schulleiterinnen und Schulleiter jüdischer Schulen im deutschsprachigen Raum bei ihrem Treffen in Düsseldorf die Zeit für Austausch, Information und Fortbildung. Die mehr als 20 Teilnehmer kamen aus Hamburg, Berlin, Frankfurt, Düsseldorf, Stuttgart, Wien, Basel und Zürich.

Jüdische Identität zu vermitteln, vor dieser Aufgabe stehen die jüdischen Schulen in ihrem Alltag. »Wir unterrichten alle nach Lehrplan des jeweiligen Bundeslandes, müssen schauen, dass die jüdischen Themen gut untergebracht sind, und versuchen, das Ganze auch miteinander zu verzahnen«, erklärt Daphna Schächter, Leiterin der Düsseldorfer Yitzhak-Rabin-Schule, wo das Schulleitertreffen in diesem Jahr stattfand.

projekte Wie vielfältig das Thema ist, wurde deutlich, als die Grundschulen und Gymnasien Projekte und Methoden vorstellten und damit deutlich machten, wie die Herausforderung der jüdischen Identitätsvermittlung praktische Umsetzung findet. Michal Grünberger von der Zwi-Perez-Chajes-Schule in Wien stellte das seit sechs Jahren erfolgreich praktizierte Projekt »Achtung« vor. »Achtgeben, achtsam sein steckt in dem Projektnamen«, so die jüdische Leiterin der Grundschule. Die Kinder würden jeden Monat für ein Thema mit jüdischem Bezug sensibilisiert und könnten durch ihr eigenes Verhalten Auszeichnungen erlangen. Das bedeute, dass nicht nur gute schulische Leistungen, sondern auch Wertschätzung, Zivilcourage oder Beteiligung am Beten honoriert würden. »Auch das ist für die Kinder wichtig«, betont Grünberger.

Aber wie die Kinder ans Gebet heranführen, ohne dass sie es langweilig finden oder als lästige Pflicht ansehen? Dieser Herausforderung hatte sich die Zürcher Noam-Schule angenommen. Ein Drittel der Kinder komme aus religiös praktizierenden Familien, erläutert Rektor Nathanael Bucher. Das 20-minütige Gebet zu Beginn des Schultages sei an ihrer Schule jedoch für alle Pflicht. Nun habe man die Verantwortung für das Morgengebet den Schülern der sechsten Klassen anvertraut.

»Wir haben versucht, die Kinder mehr einzubinden«, sagt Nathanael Bucher, der betont, dass es für Tefila keine Noten gibt. Beim Wiener Gymnasium hingegen macht die Gebetskompetenz 30 Prozent der Note im Fach Religion aus. Aber auch hier übernehme die Schülerschaft Aufgaben wie das Vorbeten. Zudem biete man Lernworkshops zum Thema Morgengebet an, um den Schülern mehr Verständnis dafür zu vermitteln, berichtet Rimon Zilberg, Leiter des Zwi-Perez-Chajes-Gymnasiums. Außerdem habe man große Schabbatfeiern eingeführt, die zweimal jährlich abends und nicht, wie sonst üblich, während der Unterrichtszeit stattfinden. Sie sind ab der neunten Klassenstufe vorgesehen und werden durch private Sponsoren ermöglicht.

Klassenfahrten Neben der Umsetzung von Feiertagen im Schulalltag gab es weitere Beispiele für die Bildung jüdischer Identität, etwa ein Sammelalbum zu jüdischen Personen aus Vergangenheit und Gegenwart. Neben religiösen Persönlichkeiten finden die Kinder hier auch Informationen zu Steven Spielberg, Albert Einstein oder Sigmund Freud. Klassenfahrten nach Mainz, Frankfurt, Speyer und Worms, wie sie die Jüdische Traditionsschule Or Avner in Berlin durchführt, sollen Jugendlichen die Wurzeln der jüdischen Geschichte näherbringen. Rabbiner David Gewirtz präsentierte die seit diesem Schuljahr obligatorische Schuluniform. Die Reaktionen der anderen Teilnehmer zeigten, dass dies eine identitätsstiftende Maßnahme ist, die sich aber nur dann umsetzen lässt, wenn Eltern und Schüler sie unterstützen.

Aaron Eckstaedt, Leiter des Berliner Moses-Mendelssohn-Gymnasiums, stellte das Oberstufenprojekt »Was ist meine jüdische Identität?« und das Synagogen-Coaching im Kurs Religionsphilosophie vor. In Kleingruppen soll hierbei Feldforschung in Synagogen betrieben und ein Synagogenführer erstellt werden.

Seine Schule arbeite zurzeit in verschiedenen Gremien verstärkt heraus, worin das jüdische Profil der Einrichtung besteht. Mit 430 Schülern ist das Moses-Mendelssohn-Gymnasium eine große Einrichtung. Ein Drittel der Schüler war in den vergangenen 25 Jahren nicht jüdisch.

Gymnasium Das wird – jedenfalls zu Beginn – bei dem neuen Jüdischen Gymnasium Düsseldorf anders sein. Nur ein Zehntel der angemeldeten Kinder ist nicht jüdisch. Rektor Michael Bock stellte das neue Schulprojekt vor, das im Sommer starten wird. Die Anmeldezahlen seien mit 40 niedriger ausgefallen als erwartet, sagte Bock. So beginne der gymnasiale Betrieb nur zweizügig. Platz hätte man für vier Klassen gehabt. »Es ist schwierig, den Leuten Luftschlösser zu verkaufen, wir konnten ja noch nichts vorzeigen«, räumt Bock ein. Doch er ist zuversichtlich, dass im nächsten Jahr das Interesse an der Schule steigen werde.

Informationen gab es für die Schulleiter mit einem Vortrag über Entscheidungsfindung, außerdem stellte die Jewish Agency Projekte und Fortbildungsangebote vor. Auf dem Tagungsprogramm stand auch der Aspekt Medienerziehung, und zwar mit Tablets im Unterricht – ein Projekt, das die Yitzhak-Rabin-Schule vorstellte. Der Düsseldorfer Förderverein hatte 75 Tablets gespendet.

Gastgeberin Daphna Schächter hatte als Leiterin der Yitzhak-Rabin-Schule zum zweiten Mal an der Konferenz teilgenommen. »Sich untereinander zu kennen, ist hilfreich, um auch mal zwischendrin einen Ansprechpartner zu haben, wenn Probleme oder Fragen auftauchen«, lobte sie einen weiteren Aspekt der Konferenz.

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