Trauer

Aus dem Leben gerissen

Das Profilbild seiner Facebook-Seite zeigt das Foto zweier Jungs, die sich im Arm halten – der eine trägt eine Kippa, der andere hat eine Kefiah um den Kopf gebunden. »Coexistence« steht darüber. Richard Lakin hat an das friedliche Zusammenleben zwischen Juden und Muslimen geglaubt. Bis zum 13. Oktober, als er von Palästinensern in einem Jerusalemer Bus angeschossen wurde. Der Friedensaktivist starb zwei Wochen später. Er gehört zu den 22 israelischen Opfern, die seit Beginn des neuen jüdischen Jahres durch palästinensische Terroristen getötet wurden.

Lakin (76) war 1984 aus den USA eingewandert. Der Lehrer ließ sich mit seiner Familie in Jerusalem nieder und eröffnete eine Englischschule, in der Menschen allen Alters und Herkunft unterrichtet wurden, darunter viele palästinensische Kinder. Er hinterlässt seine Ehefrau Karen, zwei Kinder und acht Enkel. Sein Sohn Micah Lakin Avni sprach bei der Beerdigung: »Vater war ein warmherziger, sanfter, liebevoller Mensch, der ›Taten der Güte‹ hinterlässt. Er hat die Welt zu einer besseren gemacht. Genommen wurde er uns aus Hass und Bösartigkeit. Vater würde vergeben und uns anleiten, wie wir antworten – mit Güte und Liebe.«

Profiling Nach den jüngsten Morden an Israelis sagte Staatspräsident Reuven Rivlin: »Der Staat Israel und der Rest der freien Welt sind in einer Situation, in der die Heimat zur Front geworden ist. Aber wir werden dem Terrorismus nicht erlauben, uns unser Leben zu diktieren. Ich bin stolz, dass wir im Angesicht der Bedrohung unsere Städte nicht abriegeln, dass wir uns weder zurückziehen noch schweigen, bis wieder Ruhe auf unseren Straßen eingekehrt ist und die Welt den Feind anerkennt, ihn schlägt, wo auch immer er sich verstecken mag. Wir, die Bürger Israels, werden nicht aufgeben!«

Doch das Profiling für die potenziellen Täter gestaltet sich immer schwieriger. Es sind nicht mehr nur jene, die gewöhnlich Terror verbreiteten: junge ledige palästinensische Männer. Seit Beginn der Gewaltwelle waren es Frauen, Teenager, Familienväter, die auf Israelis losgingen, um sie zu töten. Es waren vor allem Palästinenser, die der Polizei nicht bekannt waren. Kompletten Schutz kann die Regierung nicht garantieren. Das Einzige, was Regierungschef Benjamin Netanjahu seinen Landsleuten daher am Wochenanfang mit auf den Weg gab war der Rat, »aufmerksam zu sein«.

Unter den 22 Opfern sind zum Beispiel auch Eitam und Naama Henkin. Sie starben bei einem Terroranschlag, der an Grausamkeit kaum zu überbieten ist. Terroristen der Al-Aksa-Brigaden eröffneten am 1. Oktober das Feuer auf das Auto des Ehepaares und töteten die beiden mit Schüssen vor den Augen ihrer kleinen Kinder. Die Hamas bezeichnete die blutige Tat als »heroisch«. Die vier Söhne der Henkins werden nun von den Großeltern aufgezogen. Eitam und Naama, er Rabbiner und Historiker, sie Grafikdesignerin, wurden von Nachbarn als »perfektes Paar« bezeichnet. Sie hätten immer alles zusammen gemacht und viel Zeit in ihre Beziehung und ihre Familie investiert. »Sie waren gute und bescheidene Leute.«

Benjamin Yakubovich wurde nur 19 Jahre alt. Er gehörte zu den drei Grenzpolizisten, die am 4. Oktober von einem Terroristen in der Nähe von Hebron überfahren und schwer verletzt wurden. Er starb vier Tage darauf. Als der junge Mann aus Kiriat Ata in der Nähe von Haifa zum ersten Mal seine Uniform anzog, war er so stolz, dass er sie direkt seiner ehemaligen Schule vorführte. Sein Lehrer Motti Sabag erinnert sich: »Benny war ein ganz besonderer Mensch. Er wollte den Schülern von Motivation erzählen, und das tat er.« Nach seinem Tod entschieden seine Eltern Stanislav und Simona, die Organe ihres Sohnes zu spenden, um andere Leben zu retten.

Lehrer »Du hast immer gesagt: ›Was habe ich getan, dich als Ehefrau verdient zu haben?‹ Dabei war ich die Gesegnete mit diesem liebenswerten und aufmerksamen Ehemann.« Das waren die traurigen Worte der Witwe von Yaakov Don, Sara. Der 49-Jährige Sohn von Holocaust-Überlebenden aus der Siedlung Alon Schwut starb am 19. November bei einem Angriff von Terroristen in der Nähe seines Hauses. Er war lange Jahre Lehrer und gerade dabei, an der Universität von Haifa seinen Doktortitel zu machen. Seine Schüler priesen ihn für seinen unerschütterlichen Optimismus.

Beim gleichen Attentat kamen auch Schadi Arafa (24) und Ezra Schwartz (18) ums Leben. Arafa, ein Palästinenser aus Hebron, arbeitete für den größten palästinensischen Mobilfunkanbieter und war auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. Der junge Amerikaner Ezra aus Massachusetts war nach seinem Highschool-Abschluss für ein Jahr nach Israel gekommen, um an einer Jeschiwa zu studieren. Er wurde von seinen Freunden als »Junge voller Leben und Liebe« beschrieben. Kurz vor seinem Tod hatte er als freiwilliger Helfer Soldaten im Westjordanland Essen gebracht. Dabei wurde er erschossen. Sein Vater Ari schrieb einen Brief: »Wir bedauern nichts. Ezra hatte ein wundervolles Leben und starb glücklich – das ist wichtiger als alles andere.«

Alexander Levlovich war das erste Todesopfer der sogenannten Messer-Intifada. Am Abend des jüdischen Neujahrsfestes Rosch Haschana, am 13. September, bewarfen palästinensische junge Männer sein Auto mit Felsbrocken und verursachten einen tödlichen Unfall. Aharon Banita-Bennett wurde beim Spaziergang mit seiner Frau durch die Jerusalemer Altstadt am 3. Oktober erstochen, auch der Vater von sieben Kindern, Nehemia Lavi, der der Familie zu Hilfe eilte, bezahlte seinen Mut mit dem Leben. Chaim Haviv (78), Alon Govberg (51) und Rabbiner Yeschayahu Krishevsky (59) starben am 13. Oktober durch Pistolenschüsse extremistischer Palästinenser in Jerusalem. Ein weiterer Terrorist rammte sein Fahrzeug in eine Gruppe von Passanten auf der Straße.

Familie Der Soldat Omri Levy verlor seinen Vater vor Kurzem durch einen plötzlichen Herzinfarkt. Seitdem war der 19-Jährige das Oberhaupt der Familie. Bis er am 18. Oktober in der zentralen Bushaltestelle von Beer Sheva von Terroristen getötet wurde. Beim selben Angriff kam auch Habtom Zerhom ums Leben. Der Flüchtling aus Eritrea wurde von aufgebrachten Israelis zunächst fälschlicherweise für den Terroristen gehalten und so schwer verletzt, dass er im Krankenhaus starb. Sein Arbeitgeber aus dem Kibbuz Ein Habesor beschreibt Habtom als verantwortlich, ruhig und bescheiden, der Geld sparte, um eines Tages zu seiner Familie zurückkehren zu können. Nur zwei Tage darauf wurde Avraham Ascher Hasno im Westjordanland von Steinewerfern in seinem Auto angegriffen. Als er den Schaden untersuchen wollte, überfuhr ihn ein Lkw.

Yaakov Litman fuhr mit seiner Familie am 13. November zu den Vorbereitungen der Hochzeit seiner Tochter. Terroristen erschossen ihn und seinen 18-jährigen Sohn Netanel. Der Rest der Familie überlebte leicht verletzt. Reuven Aviram (51) aus Ramle und Aharon Yesayev (32) aus Holon wurden erstochen, als sie beteten. Die beiden Männer befanden sich im Panorama-Gebäude im Süden von Tel Aviv. Der erst 18-jährige Ziv Mizrahi aus Givat Zeev tat seinen Dienst in der Armee, als er an einer Tankstelle im Westjordanland am 23. November angegriffen wurde. Ein Palästinenser fügte ihm mit einem Messer derart schwere Wunden zu, dass er noch am Tatort starb.

Die 21-jährige Hadar Buchris aus Safed starb am 22. November, als sie auf eine Mitfahrgelegenheit an der Gusch-Etzion- Kreuzung wartete. Ein palästinensischer Mann hatte sie in den Kopf und Oberkörper gestochen und dabei so schwer verletzt, dass sie kurz darauf im Krankenhaus ihren Verletzungen erlag. Sie hatte begonnen, Tora zu studieren, hatte sich in Jerusalem verliebt und wollte sich dort ein Leben aufbauen, erzählte sie ihrer Großmutter Aliza. Doch Hadar wird nicht in Jerusalem leben. Sie ist dort gestorben.

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