Berlin

Leo-Baeck-Preis verliehen

Der Zentralrat der Juden hat seine höchste Auszeichnung, den Leo-Baeck-Preis, am Mittwochabend in Berlin an den Grünen-Politiker Volker Beck verliehen. Die Laudatio hielt Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Er würdigte Volker Becks Einsatz für »Aussöhnung mit dem jüdischen Volk«, die sich durch konkretes Handeln auszeichne – »durch deinen Einsatz in Entschädigungsfragen etwa oder durch dein beherztes und aufrechtes Einstehen gegen jegliche Form von Antisemitismus«, so Steinmeier.

Die Verbundenheit mit dem jüdischen Volk sei Teil von Becks persönlicher und politischer Identität geworden, sagte der Außenminister. Becks Engagement für die Anerkennung des Leids und der Verfolgung von Homosexuellen während der NS-Zeit habe in dem Grünen-Politiker auch das Bewusstsein für eine Entschädigung weiterer Opfergruppen geweckt. Unter maßgeblicher Beteiligung von Volker Beck hatte der Bundestag im Jahr 2000 eine Stiftung für die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter gegründet.

Volker Beck habe sich sowohl für die Errichtung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas als auch für das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen starkgemacht, sagte Steinmeier: »Beide Mahnmale stehen heute dort, wo sie hingehören: im Herzen Berlins, im Herzen unserer Demokratie, als Erinnerung und als Mahnung zugleich.«

roter faden Zentralratspräsident Josef Schuster sagte in seiner Begrüßung vor der feierlichen Preisverleihung im Axica Kongresszentrum am Brandenburger Tor, der Kampf gegen Antisemitismus ziehe sich »wie ein roter Faden durch das politische Leben Volker Becks«. Beck habe »von Anfang an dafür gekämpft, ein Verbot der Beschneidung zu verhindern«, betonte Schuster. Außerdem gehöre der Grünen-Politiker »zu jenen Abgeordneten im Bundestag, denen Israel am Herzen liegt«.

Der 54-jährige Volker Beck ist innen- und religionspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Während des Gaza-Kriegs 2014 trat Volker Beck gegen Antisemitismus und einseitige Schuldzuweisungen an Israel ein.

Beck gehe es, so Schuster, »um eine faire und objektive Betrachtung über den Nahostkonflikt, immer aber auch im Bewusstsein der besonderen Verantwortung Deutschlands für Israel. Und wenn dann in Berlin zu einer Demonstration aufgerufen wird, bei der sich die Teilnehmer mit palästinensischen Messer-Attentätern solidarisieren sollen, dann ist Volker Beck der Erste, der einen Protestbrief an den zuständigen Innensenator schreibt«, sagte der Zentralratspräsident.

Rabbiner Der seit 1957 verliehene Leo-Baeck-Preis des Zentralrats der Juden erinnert an den großen deutschen Rabbiner Leo Baeck (1873–1956), einen bedeutenden Vertreter des liberalen Judentums seiner Zeit. Er wurde 1943 ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und leistete dort anderen Inhaftierten seelischen Beistand. 1945 emigrierte Leo Baeck nach London.

Volker Beck sagte am Mittwochabend in seiner Ansprache nach der Preisverleihung: »Leo Baeck war ein ganz Großer, a Mentsch. Er war Theologe, Seelsorger und – heute würde man sagen – ein mutiger und standhafter Menschenrechtsverteidiger.« Für ihn sei es »eine unermesslich große Ehre, diesen Preis verliehen zu bekommen, der seinen Namen trägt. Die Größe seines Namens und Werkes, die Liste der bedeutenden Frauen und Männer, die diesen Preis vor mir erhielten, beeindrucken mich und deshalb stehe ich – gar nicht so meine Art – etwas kleinlaut und vor allem demütig vor Ihnen.«

Er habe nichts Besonderes getan, um diese Auszeichnung zu verdienen, meinte Beck: »Es sollten eigentlich alles Selbstverständlichkeiten sein: dass Opfer des Nationalsozialismus eine Entschädigung bekommen, ohne dass immer wieder bürokratische Hürden aufgebaut werden, dass Juden in Deutschland ihre Religion frei von der Verfolgung durch deutsche Staatsanwälte leben können, dass man in unserem Land nicht gegen Juden hetzen darf, dass der jüdische und demokratische Staat Israel nicht strengeren Maßstäben unterworfen wird als andere Staaten.«

Flüchtlinge Durch die Reden der Politiker zog sich auch das Thema Flüchtlinge. Zentralratspräsident Josef Schuster sagte: »Der große Zustrom an Flüchtlingen, mit dem niemand gerechnet hatte, verunsichert viele Menschen. Händeringend sucht die Politik nach Lösungen. Auch bei uns, in der jüdischen Gemeinschaft, gibt es ein Gefühl der Verunsicherung. Die Sorge, dass die Flüchtlinge auch Antisemitismus mit ins Land bringen könnten.«

Über diesen Sorgen vergäßen die Juden aber eines nie: »In jedem Flüchtling zuerst den Menschen zu sehen. Es sind Menschen, die alles verloren haben: ihre Heimat, ihren Besitz, oft auch Familienangehörige. Unter den Flüchtlingen sind viele Kinder. Wer sollte nicht tiefstes Verständnis für diese Menschen haben, wenn nicht wir Juden«, betonte Schuster.

Volker Beck sagte, er könne »die Befürchtungen in den jüdischen Gemeinden nachvollziehen, dass syrische Flüchtlinge ein anerzogenes Feindbild von Israel und den Juden mitbringen könnten und dass dies in Bedrohung und Gewalt umschlagen könnte.«

Der Grünen-Politiker warnte aber auch »vor einer self-fulfilling prophecy. Diese syrischen Flüchtlinge wurden selbst Opfer eines Systems, das diesen Hass auf Juden und Israel schürte. Deshalb liegt in der aktuellen Situation auch eine Chance auf Infragestellung, Neuanfang und Perspektivwechsel, der mit Mut und Klarheit begegnet werden muss.«

Yitzhak Rabin Die Leo-Baeck-Preisverleihung des Zentralrats in Berlin fand genau 20 Jahre nach dem Attentat auf den israelischen Regierungschef Yitzhak Rabin statt. Am Abend des 4. November 1995 war Rabin nach einer Friedensdemonstration in Tel Aviv von einem jüdischen Rechtsextremisten erschossen worden. »Auch er war wie Leo Baeck ein Brückenbauer. Wir gedenken seiner in Trauer und Respekt«, sagte Zentralratspräsident Schuster.

Volker Beck ging ebenfalls auf den Jahrestag des Attentats ein: »Heute vor 20 Jahren, am 4. November 1995, starb mit Yitzhak Rabin durch die Kugeln eines Extremisten nicht nur ein Mensch, sondern auch eine Idee.« Für die Sicherheit Israels sei eine friedliche Regelung mit seinen Nachbarn unerlässlich: »Wir müssen weiter gemeinsam auf ein Ende der Gewalt hinarbeiten und da Unterstützung anbieten, wo es notwendig ist.« Der Grünen-Politiker betonte in Abweichung von seinem Redemanuskript und unter Beifall aber auch, die jüngsten Messer-Attacken von Palästinensern auf Israelis seien »durch gar nichts zu rechtfertigen«.

Beck sagte weiter, die israelische Regierungspolitik mache es »uns nicht immer leicht, deren Handeln nachzuvollziehen. Ich muss ganz frei und frank gestehen, wäre ich Israeli, ich hätte diese Regierung nicht gewählt«, erklärte der Grünen-Politiker. Es gebe »manches, worüber man in Israel streitet und mit der israelischen Regierung streiten möchte«. Er wünsche sich aber aus Deutschland »mehr Empathie und mehr Fairness, wenn Israel dämonisiert, delegitimiert und mit doppelten Standards angegriffen wird.«

Das Preisgeld von 10.000 Euro stiftet Volker Beck für eine gemeinsames Projekt der Amadeu Antonio Stiftung und des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschland (LSVD) im Kampf gegen Homophobie.

Gäste Zu den 250 Gästen des Abends gehörten unter anderem die beiden Vizepräsidentinnen des Bundestags, Claudia Roth und Petra Pau, die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, die Grünen-Parteivorsitzende Simone Peter und der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman.

Auch mehrere ehemalige Preisträger waren gekommen, darunter die Verlegerin Friede Springer und der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider. Er war 2013 während des Gemeindestags des Zentralrats der Juden in Berlin mit dem Leo-Baeck-Preis ausgezeichnet worden.

Umfrage

Studie: Für die meisten muslimischen Schüler ist der Koran wichtiger als deutsche Gesetze

Fast die Hälfte der Befragten will einen islamischen Gottesstaat

 22.04.2024

Vereinte Nationen

»Whitewash«: UNRWA-Prüfbericht vorgelegt

Eine Untersuchung sollte die schweren Vorwürfe gegen das UN-Hilfswerk aufklären - vorab sickerten erste Details durch

von Michael Thaidigsmann  22.04.2024

Berlin

Ausstellung will Leben in Geiselhaft simulieren

In der Fasanenstraße werden in einem Container die Bedingungen der Geiseln in Gaza simuliert

von Pascal Beck  22.04.2024

Rechtsextremismus

»Höckes Sprachgebrauch ist ein klarer Angriff - und erfolgreich«

Der Soziologe Andreas Kemper zu Strategien des AfD-Politikers

von Nils Sandrisser  22.04.2024

Frankreich

Französischer Bürgermeister zeigt Hitlergruß - Rücktrittsforderungen

Die Präfektur Val-de-Marne will die Justiz einschalten

 22.04.2024

Meinung

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Fall Samir

Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Österreich

Vier Deutsche nach Gedenkbesuch bei Hitlers Geburtshaus angezeigt

Die Verdächtigen waren nach Braunau gefahren, um dort weiße Rosen niederzulegen

 22.04.2024

Berlin

Große KZ-Gedenkstätten gegen Schüler-Pflichtbesuche

Die Unionsfraktion hatte sich dafür ausgesprochen

 22.04.2024

Meinung

Erinnert euch an Ägypten

Nur eine Handvoll Mitglieder zählen die Gemeinden in Kairo und Alexandria heute. Jedoch haben die wenigsten Juden ihre Heimat aus religiöser Sehnsucht verlassen – sie wurden gewaltvoll vertrieben

von Mascha Malburg  22.04.2024