Schabbat

Kontinuität wahren

Wenn ein Rabbiner geht, muss Kontinuität in der Führung einer Gemeinde gewahrt bleiben. Foto: Thinkstock

Im Wochenabschnitt Wajelech ist für Mosche der Tiefpunkt erreicht: Ihm wird sein Tod angekündigt. G’tt sagt zu ihm: »Siehe, deine Tage sind herangenaht, dass du sterben sollst. Rufe Jehoschua und stellt euch in das Zelt des Zusammentreffens, dass ich ihm Befehle erteile« (5. Buch Mose 31,14).

Ein Midrasch, ein rabbinischer Kommentar, erzählt uns dazu Folgendes: Mosche bat G’tt darum, Jehoschua zum Nachfolger zu machen, aber ihn selbst doch bitte am Leben zu lassen. So könne er das Heilige Land betreten. G’tt sagte, das sei in Ordnung, solange Mosche Jehoschua so behandele, wie Jehoschua ihn über die Jahre behandelt habe.

lehrer Mosche steht also früh am Morgen auf, holt Jehoschua zu Hause ab, redet ihn als seinen Lehrer an und geht auf dessen linker Seite zum Ohel Mo’ed, dem Zelt des Zusammentreffens (es ist üblich, dass der Rabbi auf der rechten Seite des Schülers geht, da rechts im Judentum Vorrang vor links hat).

Im Zelt angekommen, senkt sich die g’ttliche Anwesenheit, die Schechina, als Wolke nieder, und zwar zwischen die beiden. Nachdem die Wolke sich wieder erhoben hat, fragt Mosche Jehoschua, was denn die g’ttliche Offenbarung an ihn gewesen sei? Da antwortet Jehoschua: »Habe ich ein einziges Mal gefragt, was G’tt dir gesagt hat?« Da ruft Mosche: »Es ist besser, hundert Mal zu sterben, als auch nur einen Moment des Neids zu erleben.«

Dieser Kommentar scheint auch vielen unserer Gemeindevorstände und Rabbiner im Sinn zu sein, wenn es um Vertragsverlängerungen und Wahlen geht. Wie oft liest oder hört man, dass der Vertrag eines Rabbiners nicht verlängert oder erneuert wurde? Wie oft hört man, dass für diese oder jene Gemeinde ein neuer Rabbiner gesucht wird? Und wie oft liest man, dass ein Vorsitzender nicht wiedergewählt wurde? Diese Fragen stelle ich rhetorisch, sie sollten ein Ausrufezeichen statt eines Fragezeichens tragen.

übergabe Wenn man als Rabbiner eine neue Stelle antritt, hört man oft: »Ihr Vorgänger hat dies aber anders gemacht.« Woher soll man das wissen? Es gab keine Übergabe. Rabbiner A wurde hinausgeworfen, Rabbinerin B neu eingestellt. Kein Kontakt zwischen beiden, kein Gespräch.

Ähnlich sieht es in den Vorständen aus. Sie werden manchmal gefragt: »Warum sind Sie Vorsitzender der Gemeinde? Sie bekommen dafür doch gar kein Geld.« Man hört dann Antworten wie: »Ich tue das, weil mir das Schicksal der Gemeinde am Herzen liegt.« Oder: »Ich möchte den Fortbestand der jüdischen Gemeinschaft sichern.« Oder: »Irgendjemand muss es ja tun, ich habe mich nicht um diesen Job gerissen.«

Seltsam nur, dass viele Vorstände, wenn sie nicht wiedergewählt werden, oft zum letzten Mal in der Gemeinde gesehen wurden. Wenn es wirklich um die Gemeinde, um die Gemeinschaft ginge, wäre dem nicht so. Es würde anders aussehen. Vorstände könnten zum Wohle der Gemeinde agieren, ihren Nachfolger einarbeiten und in die Strukturen der Gemeinde einführen. Ähnlich wäre es mit den Rabbinern: Sie könnten ihren Nachfolger in vielen gemeindeeigenen Bräuchen unterrichten und eine (begrenzte) Zeit lang als eine Art Mentor unterstützen.

Es heißt in unserer Parascha: »Der Ewige ist es, der selbst vor dir hergeht, Er wird mit dir sein und dich nicht aufgeben, noch dich verlassen; fürchte dich nicht und erschrick nicht!« Aber es heißt auch: »Sei stark und mutig! Denn du sollst die Kinder Israels in das Land bringen, das ich ihnen zugeschworen habe, und ich will mit dir sein!« Und es heißt: »Rufe Jehoschua und tretet in die Stiftshütte, damit ich ihn beauftrage!« Eine Kontinuität in der Führung muss gegeben sein, sei sie administrativ, spirituell oder religiös. Zum Wohle des Nachfolgers, der Gemeinde und zum Wohle des jüdischen Volkes.

Der Autor ist rabbinischer Studienleiter des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks (ELES).

Inhalt
Der Wochenabschnitt Wajelech erzählt von Mosches letzten Tagen: Er erreicht sein 120. Lebensjahr und bereitet die Israeliten auf seinen baldigen Tod vor. Er verkündet, dass Jehoschua sein Nachfolger sein wird. Die Parascha erwähnt eine weitere Mizwa: In jedem siebten Jahr sollen sich alle Männer, Frauen und Kinder im Tempel in Jerusalem versammeln, um aus dem Mund des Königs Teile der Tora zu hören. Mosche unterrichtet die Ältesten und die Priester von der Wichtigkeit der Toralesung und warnt sie erneut vor Götzendienst.
5. Buch Mose 31, 1–30

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 23.04.2024

Korban Pessach

Schon dieses Jahr in Jerusalem?

Immer wieder versuchen Gruppen, das Pessachopfer auf dem Tempelberg darzubringen

von Rabbiner Dovid Gernetz  22.04.2024

Pessach

Kämpferinnen für die Freiheit

Welche Rolle spielten die Frauen beim Auszug aus Ägypten? Eine entscheidende, meint Raschi

von Hadassah Wendl  22.04.2024

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 23.04.2024

Mezora

Die Reinheit zurückerlangen

Die Tora beschreibt, was zu tun ist, wenn Menschen oder Häuser von Aussatz befallen sind

von Rabbinerin Yael Deusel  18.04.2024

Tasria

Ein neuer Mensch

Die Tora lehrt, dass sich Krankheiten heilsam auf den Charakter auswirken können

von Yonatan Amrani  12.04.2024

Talmudisches

Der Gecko

Was die Weisen der Antike über das schuppige Kriechtier lehrten

von Chajm Guski  12.04.2024

Meinung

Pessach im Schatten des Krieges

Gedanken zum Fest der Freiheit von Rabbiner Noam Hertig

von Rabbiner Noam Hertig  11.04.2024

Pessach-Putz

Bis auf den letzten Krümel

Das Entfernen von Chametz wird für viele Familien zur Belastungsprobe. Dabei sollte man es sich nicht zu schwer machen

von Rabbiner Avraham Radbil  11.04.2024