Rottweil

Ein offenes Haus

Gemeinsamer Spatenstich: Hier soll die neue Synagoge Rottweil entstehen. Foto: Moni Marcel

Endlich ist es soweit. Rottweil erhält ein neues jüdisches Gotteshaus. Fünf Jahre hat die Israelitische Kultusgemeinde Rottweil/ Villingen-Schwenningen darauf gewartet. Mit einem feierlichen Spatenstich haben am vergangenen Donnerstag die Bauarbeiten für die neue Synagoge am Nägelesgraben begonnen.

»Das ist ein Tag der Freude auch für mich persönlich«, sagt Rami Suliman, der Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft (IRG) Baden, zu der die Gemeinde in Rottweil gehört. Und er verweist damit vor allem auf lebendiges jüdisches Leben.

Wichtig sei, nicht nur der Opfer der Schoa zu gedenken, betont Suliman, sondern auch einen Grundstein zu legen für eine gemeinsame Zukunft. Die Synagoge sei aber auch ein sichtbarer Ausdruck der Freundschaft und als offenes Haus gedacht, als Treffpunkt für alle Menschen.

Tradition »Wir schließen hier an eine lange Tradition an«, sagt Rottweils Oberbürgermeister Ralf Broß (parteilos). Von den früheren jüdischen Gemeinden Rottweils, deren sämtliche Mitglieder 1939 emigrierten oder deportiert worden waren, seien mit der ehemaligen Synagoge und dem Friedhof nur steinerne Zeugen geblieben. Nun erhalte die nach der Schoa gegründete Gemeinde ein neues Bethaus. Menschen vor allem aus der ehemaligen Sowjetunion haben hier eine neue Heimat gefunden. Man habe seitens der Stadt die Idee von Anfang an unterstützt und freue sich nun auch über die architektonische Aufwertung des Nägelesgrabens, sagt Broß.

Die neue Synagoge direkt neben dem mittelalterlichen Stadtkern sei auch »ein Zeichen der Hoffnung, dass die Schrecken des Holocaust endgültig der Vergangenheit angehören«, und dass in Rottweil verschiedene Religionen friedlich zusammenleben.

Landrat Wolf-Rüdiger Michel (CDU) erinnert an die Schrecken des Dritten Reichs, an die Menschen, die hier eine Heimat hatten, »doch der Staat entzog ihnen Würde, Gesundheit, oft das Leben«. So seien am 1. Dezember 1941 die ersten Juden von Stuttgart aus nach Riga deportiert worden. Und heute sehe man mit Dankbarkeit auf den Neubeginn jüdischen Lebens in Rottweil zurück, als in den 90er-Jahren die ersten Familien aus der ehemaligen Sowjetunion ankamen, die Gemeinde gegründet wurde und dann ihre erste Torarolle erhielt. »Religiöses Leben aller Konfessionen muss in der Öffentlichkeit sichtbar werden«, betont Michel. Als »wichtigen Meilenstein« bezeichnet Landtagsabgeordneter Stefan Teufel (CDU) den Synagogenbau. Die Gemeinde erhalte mehr als nur einen Raum, sie kehre damit in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zurück. Das sei wichtig und trage auch zum Frieden in der Gesellschaft bei. »Wir sind dankbar, dass es jüdisches Leben in Rottweil gibt.«

Landesrabbiner Moshe Flomenman betont, die neue Synagoge werde nicht nur Raum für Gebete und das Studium der Tora sein, sondern auch eine Begegnungsstätte für den Dialog. Die Baustelle hat nun seinen Segen.

DAnk Die Geschäftsführerin der Gemeinde Rottweil/Villingen-Schwenningen, Tatjana Malafy, mit einem großen Blumenstrauß bedacht, bedankt sich vor allem bei Rami Suliman. »Ohne ihn wäre das Projekt nicht zustande gekommen«, ist sie überzeugt. Gemeinsam mit Villingen-Schwenningens Oberbürgermeister Rupert Kubon (SPD) greifen schließlich alle zum Spaten – die Bauhelme bleiben außen vor, dafür tragen die beteiligten Herren ja eine Kippa. Und weil die Freude über den Neubau so groß ist, beginnen die einen spontan zu singen, schließlich wird getanzt, und man begibt sich in die derzeitigen Synagogenräume in der Oberen Hauptstraße, um gemeinsam weiterzufeiern.

Seit Dezember 2002 gibt es in Rottweil wieder eine jüdische Gemeinde. Russischsprachige Juden ziehen in die baden-württembergische Stadt. Zwei Jahre später hat die Israelitische Kultusgemeinde Rottweil/ Villingen-Schwenningen etwa 140 Mitglieder und kann im August ihre erste eigene Torarolle einweihen. Die Willkommenskultur ist hier ausgeprägt. Pensionierte Lehrer erteilen Deutschunterricht, Gemeinde und Bevölkerung kommen sich schnell näher. Die IKG beteiligt sich begeistert am Europäischen Tag der jüdischen Kultur und wird dabei auch von vielen Nichtjuden unterstützt.

Und die Gemeinde wächst – wie Geschäftsführerin Tatjana Malafy sagt – »von innen«. 2007 konnten sie alle zwei, drei Monate ein Baby als Neumitglied willkommen heißen. Die Gemeinde baute eine Bibliothek auf, hat einen Rabbiner und ein Jugendzentrum, das sich auch an der Jewrovision beteiligt. Sie unterhält eine Gemeindezeitung, ein Internetcafé, ein eigenes Kindertheater und einen Seniorentreffpunkt. Kulturell und sozial hat sich die Gemeinde gut integriert.

Seit ihrer Gründung unterhält die IKG Räume in der Oberen Hauptstraße mitten in Rottweils historischer Innenstadt. Inzwischen hat sie gut 270 Mitglieder. Der seit 2010 anvisierte Neubau am Nägelesgraben soll einem dreiteiligen Zelt ähneln, angelehnt an die biblische Geschichte vom Stiftszelt, das Moses einst im göttlichen Auftrag errichtete.

konzept »Das Gebäude breitet die Arme aus«, sagt Architekt Tobias Thiel, es öffne sich damit nicht nur der Stadt, sondern allen Religionen. Keine Einzäunung, keine botschaftsähnliche Abgrenzung wie in manch anderen Synagogen, sondern Stufen, die zum Gebäude führen. »Das ist ein sehr offenes Konzept.«

Etwa 18 bis 20 Monate Bauzeit sind geplant, der Landesverband IRG und die Gemeinde teilen sich die Kosten von etwa vier Millionen Euro. »Das wird nicht nur eine Synagoge, sondern ein Gemeindezentrum«, sagt IRG-Vorsitzender Rami Suliman. Denn hier sollen auch Büroräume, ein Veranstaltungsraum, ein Jugendzentrum entstehen. Außerdem wird es eine koschere Küche geben und eine Mikwe. Und natürlich werde das Gebäude ein riesiger steinerner Davidstern zieren, verspricht Suliman.

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