Waldbühne

Von der Nazi-Arena zur Rockbühne

Auftritt des West-Eastern Divan Orchestra 2014 in der Berliner Waldbühne Foto: dpa

Waldbühne, das klingt erst einmal nach viel Idylle und Vogelgezwitscher. Und in der Tat, die Freilichtarena in Berlin-Charlottenburg befindet sich in einem 30 Meter tiefen Talkessel mit reichlich Baumbestand am westlichen Ende des Olympiaparks, der Murellenschlucht.

Als sie im August 1936 eröffnet wurde, hieß sie Dietrich-Eckart-Freilichtbühne, benannt nach dem antisemitischen Dichter und ersten Chefredakteur der NSDAP-Zeitung »Völkischer Beobachter«. Eckart wird die Idee zugeschrieben, Adolf Hitler als »Führer« zu bezeichnen, und von ihm stammt auch die Parole »Deutschland erwache!«.

amphitheater Mit der Uraufführung des Frankenburger Würfelspiels wurde die im Stil eines griechischen Amphitheaters konzipierte Bühne mit Platz für rund 20.000 Zuschauer eingeweiht und damit auch das Kulturprogramm der Olympischen Sommerspiele von 1936 eröffnet. Die braunen Machthaber wollten mit diesem bombastisch inszenierten völkischen Thingspiel die Weltöffentlichkeit von der Einzigartigkeit eines nazistischen Massentheaters überzeugen.

Aber gewollt ist nicht immer gekonnt. Die Aufführung mutierte zu einem bizarren Spektakel, da die Schauspieler in überdimensionierten Pappkostümen auftreten mussten, damit die Zuschauer auf den hinteren Plätzen zumindest erahnen konnten, was da vorne auf der Bühne überhaupt passierte.

Den Zweiten Weltkrieg überstand die Freilichtarena relativ unbeschadet. Nur der Name wurde geändert, seither heißt der Ort politisch ganz neutral Waldbühne und begann eine zweite Karriere als Open-Air-Kino und Boxkampfarena. 1948 fand dort Max Schmelings letzter öffentlicher Boxkampf statt, er verlor gegen den deutlich jüngeren Richard »Riedel« Vogt und verkündete noch im Ring sein Karriereende.

rolling stones Dann blieb es lange still um die Waldbühne. Bis 1965 die Rolling Stones dort auftraten – und die Zuschauer aufgrund einer dürftigen Performance und äußerst kurzen Konzertdauer richtig sauer wurden. Aber nicht nur das. Mangels Satisfaction zerlegten die enttäuschten Fans die gesamte Bestuhlung sowie eine S-Bahn und lieferten sich eine legendäre Schlacht mit den Ordnungshütern. Die Zeitungen der Stadt titelten am Tag darauf entsprechend entsetzt »Ich saß in der Hölle« (»Bild«) und »Die Geister, die sie riefen« (»Tagesspiegel«). Das »Neue Deutschland« in Ost-Berlin kommentierte: »Die Schlacht in der Waldbühne soll auf lebensgefährliche Schlachten vorbereiten.«

Alle Meldungen zu den Krawallen lesen sich wie Berichte von einer Kriegsfront. Infolge massiver Beschädigungen blieb die Waldbühne erst einmal bis 1977 geschlossen. In den Jahren danach etablierten schließlich neue Besitzer die Freilichtarena zu einer festen Größe in der Berliner Veranstaltungslandschaft.

barbra streisand Beim Pausenbier aus dem verletzungssicheren Plastikbecher kann man heute wieder unter Bäumen sitzen, während vorne die Diva Barbra Streisand ihr erstes Konzert auf deutschem Boden gibt, Grönemeyer zu singen und zu tanzen versucht oder das West-Eastern Divan Orchestra von Daniel Barenboim seinen jährlichen Auftritt hat. Ältere Konzertgänger mögen dann nostalgisch werden und erinnern sich vielleicht an rebellischere Zeiten, als man noch versucht hatte, Mick Jagger eine Cola-Flasche an den Kopf zu werfen. Auch zum Public Viewing von Fußballspielen oder anderen Sportereignissen reisen die Fans gerne an. Alljährlich zelebrieren die Berliner Philharmoniker hier ihr Saisonabschlusskonzert.

Nur an den Nazidichter Dietrich Eckart dürfte heute in der Waldbühne wohl niemand mehr denken.

Pessach

Vertrauen bewahren

Das Fest des Auszugs aus Ägypten erinnert uns daran, ein Leben in Freiheit zu führen. Dies muss auch politisch unverhandelbare Realität sein

von Charlotte Knobloch  22.04.2024

Pessach

Das ist Juden in Deutschland dieses Jahr am wichtigsten

Wir haben uns in den Gemeinden umgehört

von Christine Schmitt, Katrin Richter  22.04.2024

Bayern

Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZ Flossenbürg vor 79 Jahren

Vier Schoa-Überlebende nahmen teil – zum ersten Mal war auch der Steinbruch für die Öffentlichkeit begehbar

 21.04.2024

DIG

Interesse an Israel

Lasse Schauder über gesellschaftliches Engagement, neue Mitglieder und die documenta 15

von Ralf Balke  21.04.2024

Friedrichshain-Kreuzberg

Antisemitische Slogans in israelischem Restaurant

In einen Tisch im »DoDa«-Deli wurde »Fuck Israel« und »Free Gaza« eingeritzt

 19.04.2024

Pessach

Auf die Freiheit!

Wir werden uns nicht verkriechen. Wir wollen uns nicht verstecken. Wir sind stolze Juden. Ein Leitartikel zu Pessach von Zentralratspräsident Josef Schuster

von Josef Schuster  19.04.2024

Sportcamp

Tage ohne Sorge

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und Makkabi luden traumatisierte Kinder aus Israel ein

von Christine Schmitt  18.04.2024

Thüringen

»Wie ein Fadenkreuz im Rücken«

Die Beratungsstelle Ezra stellt ihre bedrückende Jahresstatistik zu rechter Gewalt vor

von Pascal Beck  18.04.2024

Berlin

Pulled Ochsenbacke und Kokos-Malabi

Das kulturelle Miteinander stärken: Zu Besuch bei Deutschlands größtem koscheren Foodfestival

von Florentine Lippmann  17.04.2024