Ferienspiele

Pool und Planetarium

Die knallbunten Plakate im Foyer kündigen ein großes Ferienprogramm an. Sechs Wochen lang können Kinder und Jugendliche in der Jüdischen Gemeinde Bochum eine spannende Zeit mit viel Spaß erleben. Doch es ist still im Haus, niemand rennt über die Flure, kein Ton dringt aus den Räumen des Jugendzentrums – denn es ist Punkt halb zehn. »Die Kinder sind beim Frühstück«, sagt Olga Isaak, die den Sozial- und Jugenddienst in der Gemeinde koordiniert.

In den Räumen des Jugendzentrums Atid (»Zukunft«) herrscht inzwischen wieder buntes Treiben. Einige Kinder liegen auf dem Teppich und spielen Karten, ein Mädchen fährt jauchzend auf einem Bobby-Car um die Gruppe herum. An einem Tisch wird gemalt. Die Sozialpädagogin Olga Gorch lässt den Kindern nach dem Frühstück ein bisschen Freiraum. Doch schnell kann sie das Interesse der Kleinen auf eine Kiste mit bunten Tüchern lenken, es sind Requisiten für einen Tanz, den sie bereits einstudiert haben. Bald sitzen die Kinder im Kreis, singen »simama kaa«, wedeln mit den Tüchern und lassen sie fliegen.

Ballett Das Bewegungsspiel scheint ihnen Spaß zu machen, und es ist erst der Einstieg in eine größere Choreografie, die die Kinder während des Ferienprogramms lernen. »Zweimal pro Woche besucht uns eine Ballettlehrerin, und wir üben zusammen«, erzählt Gorch, die selbst eine Ausbildung zur Tanzpädagogin absolviert hat. »Unser Thema lautet: ›Eine Reise um die Welt‹. Denn wer reist, der hat weniger Vorurteile.« Bis zur Abschlusspräsentation für die Eltern kurz nach den Ferien werden die Kinder auch an den Kostümen und am Bühnenbild arbeiten.

Beinahe über die gesamten sechs Wochen der Sommerferien bietet die Bochumer Gemeinde für insgesamt rund 30 Kinder – von denen immer mindestens zehn anwesend sind – ihr Ferienprogramm an. »Nur die letzten beiden Tage nehmen wir nicht mit«, erzählt Isaak. Einige andere Gemeinden fahren ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in den Ferien zurück, bieten nur zwei- oder dreiwöchige Feriencamps an, schließen die Jugendzentren ganz.

In Bochum geht man in diesen Ferien erstmals einen anderen Weg. »Die Idee ist die: Wir sind eine relativ große Gemeinde mit ungefähr 1150 Mitgliedern«, berichtet Olga Isaak. »Die meisten sind Zuwanderer, aber schon lange Jahre in Deutschland und viele im Beruf hochqualifiziert.« Das gelte nicht nur für die Männer, sondern ebenfalls für die Frauen, betont Isaak, auch sie seien berufstätig. Da muss ein Elternpaar seine Urlaubstage schon abwechselnd nehmen, um die Betreuung der Kinder in den Ferien zu gewährleisten. Von einem Familienurlaub kann man dann kaum noch sprechen.

Testlauf Deshalb springt die Gemeinde ein. »Im vergangenen Jahr haben wir in den Sommerferien vier Wochen Programm angeboten, es war ein Versuch. Und der war sehr erfolgreich«, sagt Isaak rückblickend. Die Eltern wünschten sich eine Wiederholung, und nun wurden die Aktivitäten gleich auf die gesamten Ferien ausgedehnt. Die Hauptzielgruppe sind Kinder, doch auch für Jugendliche steht die Tür offen. »Aber wenn sie erst einmal alt genug sind, um ohne die Eltern alleine zu Hause bleiben zu können, dann nutzen sie das auch aus«, erzählt Isaak. Sie gehen dann eher ins Jugendzentrum und beteiligen sich kaum am Ferienprogramm.

Doch es gibt Ausnahmen, und die sind dann besonders aktiv: Ein Jugendlicher kann pro Woche im Ferienprogramm als Madrich mitarbeiten und die Kinder betreuen. »Wir haben das beschränkt, damit sie nicht zu lange kommen und selbst nichts von ihren Ferien haben«, erklärt Isaak. »Denn es ist Arbeit, das muss man schon sagen. Wir öffnen montags bis donnerstags von 8 bis 16 Uhr, freitags von 8 bis 14 Uhr.«

Das wechselhafte Wetter der vergangenen Woche zwischen Regen und Sonnenschein, zwischen 15 und 35 Grad, bereitet den Bochumern kaum Probleme. Das Programm ist nicht in ein starres Korsett gebunden und kann von Tag zu Tag geändert werden. Bei gutem Wetter kann auf der Dachterrasse im Pool geplanscht werden, solange es nicht zu heiß wird. Steigen die Temperaturen zu sehr, geht es zum Beispiel die wenigen Meter hinüber ins klimatisierte Planetarium, um sich eine Show anzuschauen. »Wir entscheiden das spontan«, erklärt Isaak. »Deshalb sollen die Eltern auch unbedingt rechtzeitig Bescheid sagen, wenn sie ihre Kinder früher abholen möchten. Denn sonst kann es gut sein, dass wir gar nicht im Haus sind.«

Teamwork Eine Thema verfolgt das Bochumer Ferienprogramm nicht. Zwar werde auch hier »das Judentum gelebt«, doch man arbeite dazu nicht so konkret mit den Kindern wie im Jugendzentrum. Es geht aber auch nicht nur um Spaß, sagt Isaak. »Es ist zum Beispiel wichtig, dass sie Teamwork kennenlernen, denn hier treffen viele Kinder aufeinander, die sich zuvor nicht kannten.« Dadurch werde ihr Selbstbewusstsein gestärkt, und es bildeten sich Gruppenstrukturen. »Das sind wichtige Prozesse in der Entwicklung eines Kindes.«

Ermöglicht wird das Angebot der Bochumer Gemeinde durch eine Förderung des Landes Nordrhein-Westfalen, Mittel fließen aus dem Programm »Kulturrucksack«. »Aber es ist insgesamt eine Mischfinanzierung«, erklärt Olga Isaak. »Wir nutzen alles und müssen mit wenig Geld das Maximum hinbekommen. Aber so geht es sicher nicht nur uns, sondern vielen Gemeinden.« Die Eltern kommen nur für die Kosten der Vollverpflegung auf.

Familienbesuch
Einige der Kinder, die während der Schulferien den Weg in die Gemeinde finden, sind zum ersten Mal da – es sind kleine Gäste, die auf Familienbesuch in Deutschland sind und mit ihren Cousins oder Cousinen am Sommerprogramm teilnehmen. »Ein Mädchen kommt zum Beispiel aus der Ukraine. Sie besucht ihre Großeltern, und für die Oma ist es eine Entlastung, wenn sie zu uns kommt. Das läuft ganz unkompliziert«, erklärt Gorch.

Eine regelmäßige Besucherin des Jugendzentrums ist hingegen Anna. Die Siebenjährige kommt gewöhnlich jeden Sonntag in die Gemeinde, während der Ferien auch wochentags. »Ich habe viele Freunde hier, und ich habe auch schon eine neue Freundin kennengelernt«, erzählt sie. »Es macht alles Spaß. Wir haben schon gebadet, wir spielen Spiele und tanzen. Aber heute Morgen durfte ich beim Frühstück nicht die Brötchen aufschneiden«, beschwert sich Anna, denn der Küchendienst ist hier heiß begehrt, und alle wollen mithelfen. Aber morgen um halb zehn hat sie schon wieder die nächste Chance.

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