Fußball

Die bessere Hälfte

Die Kicker und ihre Frauen: Guy Luzon und Dana (M.), (v.l.) Dani Alves (Rückennummer 22) und Thaissa-Carvalho, Asmir Begovic (Rückennummer 1) und Nicolle Begovic, Isaac Donkor und Menaye Donkor Foto: Thinkstock, dpa, imago / (M) Marco Limberg

Als Dana Fahn Luzon zum ersten Mal in ihrem Leben ein Fußballstadion betrat, war sie schockiert. Es war 1999, und gespielt wurde ein Match der Ligat ha’Al, der höchsten israelischen Liga. Mit den Gesängen und dem Geschrei der Fans konnte sie rein gar nichts anfangen, und dass diese ab und an den Nachnamen eines Spielers skandierten, ergab erst recht keinen Sinn für sie. »Die nehmen das wirklich ernst«, wurde ihr da klar. Sich selbst beschreibt sie bei dieser Premiere so: »Ich war ein Alien, das in der Fußballwelt gelandet war.«

Mittlerweile ist sie dort schon seit ein paar Jahren zu Hause. Mit dem damaligen Trainer von Maccabi Petach Tikwa, dessentwegen sie einst das Stadion betreten hatte, ist sie mittlerweile verheiratet und hat zwei Kinder. Guy Luzon ist derzeit Cheftrainer von Charlton Athletic. Die Mannschaft spielt in der zweiten englischen Liga. Vorher hat er schon Standard Lüttich und die israelische U21 betreut.

Anfang 20 war sie bei ihrer ersten Begegnung und Studentin. Mit einer scharfen Wahrnehmung, der Gabe zu Reflexion und Selbstreflexion, einem frischen Blick auf Außenstehende und der Fähigkeit, sich in neuen Situationen zurechtzufinden, ausgestattet, ist die heute 36-jährige Dana eine bekannte TV-Journalistin in Israel.

Image Jetzt hat sie sich ein ambitioniertes Projekt vorgenommen: eine Doku-TV- Serie über die Frauen berühmter Kicker. Sie will sie vom »bloß blond und blöd«-Image befreien. »Sieben Episoden von jeweils 25 Minuten sind bereits gedreht. Momentan sucht sie gemeinsam mit der Antwerpener Produktionsfirma Sancta nach einem Fernsehsender, der das Format ausstrahlt.

Bislang gab es einige Absagen: zu unkonventionell erscheint einigen in der Branche der Ansatz, der das Klischee der Glamourwelt der sogenannten WAGs (»Wifes and Girlfriends«) infrage stellt. Just dieses Wort ist für Dana Fahn Luzon ein rotes Tuch: »Wie könnt ihr uns WAGs nennen? Wir sind Frauen mit eigenen Zielen, Träumen und Karrieren!«

Um zu beweisen, dass sie recht hat, spricht Fahn Luzon in Rio de Janeiro mit der brasilianischen Schauspielerin Thaissa Carvalho über ihre Fernbeziehung mit Dani Alves, Defensivspieler des Weltklasseklubs FC Barcelona. In Sevilla erfährt sie von Raquel Rakitic, wie die ehemalige Kellnerin den damaligen Kapitän des FC Sevilla acht Monate zappeln ließ und er täglich in ihrem Café aufkreuzte. Heute spielt ihr Mann bei Barca und mit dem Club am 6. Juni im Champions-League-Finale gegen Juventus Turin.

Engagement Fahn Luzon hat auch mit Menaye Donkor, der Frau von Sulley Muntari, dem ghanaischen Mittelfeldstar von AC Mailand, gesprochen. Und auch hier liegt der Fokus nicht etwa auf der Model-Karriere von Donkor, sondern auf ihrem Hilfsprojekt in Ghana. Und in der Peripherie von Staffordshire traf Dana auf Nicolle Begovic. Deren Mann Asmir hütet das Premier-League-Tor bei Stoke City FC. Nicolle Begovic ist professionelle Dressurreiterin und trainiert, um bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio starten zu können.

Und es zeigt sich, dass Fahn Luzon die Geschichte ihrer Gesprächspartnerinnen teilt: Auch sie ist Fußballerfrau. Damals, 1999, war sie wegen dieses ambitionierten und ziemlich jungen Trainers gekommen, der auf der Bank des Heimklubs Maccabi Petach Tikwa saß. Für ihn, Guy Luzon, war damals jenes Match schon vor dem Anpfiff ein Erfolg. Denn dass sich Dana, die Studentin, überhaupt in seine Welt begeben hatte, wertete er als Zeichen, dass sich das Blatt wenden würde.

Schließlich hatte es am Anfang nicht gerade danach ausgesehen, als ob er die besten Karten bei der jungen Frau gehabt habe. Danas Vater, im Jugendbereich seines Lieblingsclubs tätig, hatte Guy Luzon zur Hochzeit seiner älteren Tochter eingeladen. Bei dieser Feier hatte Guy dann ein Auge auf die jüngere Schwester der Braut geworfen und den Vater um ihre Telefonnummer gebeten, und Dana reagierte unwirsch. Dass ihr Vater die Telefonnummer weitergab, nahm sie ihm übel. Aber immerhin, Dana ließ sich auf ein Treffen mit dem Trainer ein.

Und eben nicht nur dem Trainer. Als die ambitionierte Studentin der Kommunikation und Wirtschaft damals im HaMoshava-Stadion saß und sich wie ein Alien vorkam, ging ihr nach einer Weile noch etwas anderes auf: All der Lärm, der ihr so fremd war, das Singen und Geschrei, war im Grund auch nur eine Art, Emotionen zu zeigen und sich auszudrücken. Und mit dieser Erkenntnis begann sie, ein selbst erklärtes »Geek Girl von der Uni in Tel Aviv«, eine Streberin also, darin tatsächlich Schönheit zu sehen.

Fernbeziehung Ein Phänomen, dem sie schließlich professionell auf die Schliche kommen wollte. Und so begab sie sich im Frühling 2014 auf eine mehrmonatige Reise, die sie nach England, die USA und Ghana, Honduras, Brasilien, Spanien und Italien führte. Hier traf sie die vielen Spielerfrauen für ihre Dokumentation. Sie alle erzählen von ihren Schwierigkeiten, auf eigenen Beinen zu stehen, etwas Eigenes leisten zu wollen, und gleichzeitig nur als Anhängsel eines prominenten Mannes, der recht oft seinen Wohnort wechselt, wahrgenommen zu werden. Thaissa Carvalho etwa berichtet vom Problem der Fernbeziehung: Wie geht das, wenn Dani Alves in Barcelona kickt, während sie in Rio auf der Bühne oder am Set steht und bei ihren Eltern lebt?

Dieses Problem hatten Guy und Dana Luzon auch. Zunächst waren sie nur vier Wochen getrennt, dann immer länger. Im Sommer 2013 war Guy bei Standard Lüttich verpflichtet worden. Dana hatte Fernsehaufträge in Israel. Erst danach zog sie nach Belgien nach. Guy hatte Erfolg, eine ziemlich lange Zeit sah es so aus, als könne er die belgische Meisterschaft nach Lüttich holen – am Ende fehlten zwei Punkte. Dana nahm sich derweil weiter ihr Projekt der TV-Dokumentation vor.

Gut zurecht kam sie in Belgien nicht. Französisch sprach sie nicht, und mit ihrem guten Englisch konnte sie in Lüttich kaum punkten. »Da habe ich realisiert, dass Fußballerfrauen mit dieser Situation ständig konfrontiert sind«, sagt sie. »Es gibt keine Stabilität. Wenn du dich irgendwo eingelebt hast, musst du weiterziehen.«

Während Dana arbeitete, war derweil eine andere Frau der ruhende Pol im Hause Luzon. Dana nennt sie »Toni der Engel« und erklärt: »Meine Mutter kam aus Israel, um zu helfen.« Lachend fügt sie hinzu: »Guy wird es nicht gestört haben. Ich bin eine schlechte Köchin, sie kocht fantastisch.«

Die Fernbeziehung kam später. Den Gepflogenheiten der Branche folgend, musste Guy im Herbst 2014 bei Standard Lüttich seine Sachen packen. Sein Team hatte einige gute Spieler verloren und den Saisonbeginn verpatzt. Sichtlich bewegt nahm der Trainer Abschied. Seit Jahresbeginn coacht er nun Charlton Athletic.

Dana blieb mit den Kindern, vier und acht Jahre alt, in Lüttich. Zumindest das Schuljahr sollten sie beenden können. Sie selbst bereitet sich auf den Abschluss ihres Psychologie-Fernstudiums an der Universität Tel Aviv vor. Dieses Frühjahr musste sie für das Examen zur israelischen Botschaft nach Brüssel. Häufig denkt sie auch an ihre TV-Karriere in Israel, der die lange Abwesenheit nicht zuträglich ist. Vom Versuch, das zu ändern, zeugt die Handkamera auf dem Cafétisch: Die Redaktion der in Israel beliebten Show Connected hat neben anderen Persönlichkeiten auch Dana Fahn Luzon angefragt, ob sie nicht selbst Momente ihres Alltags aufnehmen will.

Das Telefon klingelt. Guy ist dran. Drüben, auf der anderen Seite des Kanals, ist das Vormittagstraining zu Ende. Im Januar übernahm er Charlton Athletic in ziemlich schlechtem Zustand. Inzwischen hat der immer noch jungenhaft wirkende Trainer, das Stoppelhaar mit knapp 40 Jahren dunkel und dicht und ein stetes Lächeln um die Mundwinkel, den Club zurück in die Spur geführt: ins sichere Mittelfeld der zweiten englischen Liga, die offiziell Championship heißt.

Ende Mai, wenn die Saison zu Ende ist, wird er zu seiner Familie nach Liège kommen. Zusammen wollen sie dann die nähere Zukunft planen. Wie schwierig das ist, machte Guy Luzon selbst deutlich, als er im Januar seine erste Pressekonferenz in London gab. »Manchmal unterschreibt man im Fußball für fünf Jahre und ist nach zwei Monaten wieder zu Hause. Und manchmal unterschreibt man für einen Monat und bleibt zehn Jahre.«

Dass die Ablehnung, die Guy Luzon entgegentrat, auch mit antijüdischen Ressentiments zu tun haben könnte, weist Fahn Luzon entschieden von sich. Natürlich kennt sie die entsprechenden Vorfälle auch in den Stadien Europas. Doch weder auf noch neben dem Platz wurden sie oder ihr Mann bislang damit konfrontiert. Kontakt zur jüdischen Gemeinde in Liège haben die Luzons nicht. Dana ist nicht religiös und begeht höchstens die Hohen Feiertage. Guy, erzählt sie, stamme aus einer etwas traditionelleren Familie.

Fussballuniversum Manchmal fällt es schwer zu glauben, dass es erst zwei Jahre sind, die die Luzons auf dem Kontinent verbracht haben. Die Spuren, die sie im eigenwilligen, stereotyplastigen und so oft ironiefreien Fußballuniversum hinterlassen haben, scheinen von einer deutlich längeren Zeit zu zeugen. Und wer weiß, wie viel tiefer diese noch werden, wenn ihre Dokumentation erst einmal auf den Bildschirm kommt. Irgendwie, sagt Dana Fahn Luzon zum Abschied, fühlt sie sich mit all ihren Protagonistinnen verwandt. Die eine folgte ihrem Mann und stellte die eigenen Pläne hintenan, für die andere hat just die eigene Karriere Priorität. »Ich habe etwas von jeder von ihnen.«

Es ist nicht so, dass sie auf Israel oder Belgien fixiert wäre. »Ich will nur meine Leidenschaft nicht aufgeben. Und die Kinder müssen glücklich sein und brauchen eine Schule und Freunde.« Sollte also das nächste Ziel London sein, bedeutete das zumindest eine englischsprachige Umgebung.

Die Spielerfrauen, die sie von ihrem schlechten Image befreien will, nennt sie Frauen mit »Leidenschaften, Zielen und Träumen«. Auf die Trainerfrau Dana Fahn Luzon trifft das auch zu. Am Ende des Gesprächs nimmt sie sich schnell die Rechnung, die die Kellnerin an den Tisch brachte. »Ich lasse mich nicht von Männern einladen«, ruft sie. »Ich bin eine arbeitende Frau!« Und als ihr das Telefon aus Versehen runterfällt, erzählt sie, dass ihr das ständig passiere: der Bildschirm ist von Sprüngen übersät. »Siehst du, so glamourös bin ich!«

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