Finale

Der Rest der Welt

Am Anfang wird es natürlich hart werden – keine Shopping-Trips mehr, das nächste Kino ist meilenweit entfernt, eine Putzfrau werden wir uns nicht mehr leisten können, wahrscheinlich werden wir auch unser Auto verkaufen müssen. Aber wir werden glücklich sein im Kibbuz», strahlt meine beste Freundin Chana. Im August macht sie mit ihrer Familie Alija.

Sie zieht in so einen popeligen Kibbuz im Norden, der sich mit Karottenanbau und Düngemittelherstellung über Wasser hält. Und schwebt auf Wolke sieben! Das hat mir ein bisschen den Boden unter den Füßen weggerissen. Blödsinn, nicht nur ein bisschen – total! Denn während Chana den Part des aufopfernden, vor Idealismus strotzenden Zionisten übernimmt, fällt mir die undankbare Rolle des dekadenten Kapitalistensacks zu.

Psychotest Sollten wir vielleicht auch Alija machen? Ich denke seit Tagen an nichts anderes und vertraue mich schließlich meinem Hauspsychologen und Lifecoach – meinem Mann – an. «Ach, das trifft sich ja gut, dass du mich fragst», lächelt Alain. «Hier in der neuesten Ausgabe des Sochnut-Magazins gibt es einen Alija-Psychotest! Hier kannst du herausfinden, ob du wirklich idealistisch genug bist auszuwandern – bist du bereit?» Bin ich. Schieß los!

«Frage eins: Neben dir in der Straßenbahn kaut jemand Kaugummi und nervt dich damit total. Was tust du?» Dumme Frage. Ich steige an der nächsten Station aus und nehme eine andere Bahn. Oder lieber ein Taxi. Nächste Frage! «Du gewinnst einen Tausender im Lotto! Wie legst du das Geld an? a) in Kosmetik, in Klamotten und Restaurantbesuche, oder lieber b) «Stop!» Meine Antwort ist natürlich Kosmetik und Klamotten! Was denn sonst? Weiter. «Seit gegenüber ein koscheres Restaurant aufgemacht hat, riecht es auf deinem Balkon ständig nach Schawarma und Falafel. Was tust du?» Ganz einfach, ich schwärze das Restaurant bei der Gewerbeaufsicht an, hetze denen die Inspektion auf den Hals und terrorisiere das Management mit Anrufen, bis das Problem abgestellt ist. Easy!

Rindenmulch «Nun zur Auflösung», verkündet mein Mann. «Hm, null Punkte. Machen Sie bitte keine Alija, sondern bleiben Sie zu Hause! Sie sind ein Luxusweib und verlassen nur ungern ihre Komfort-Zone. Sie sind extrem stur, außerdem mega-pingelig, neigen zu Gefallsucht und Verschwendung und würden somit Stabilität und inneren Zusammenhalt des Landes gefährden.» Wie bitte? Ich reiße meinem Mann das Magazin aus der Hand. Da steht ein Artikel: «Rindenmulch fürs Gemüsebeet – korrektes Aufbringen leicht gemacht». Das ist ja eine Gärtner-Zeitschrift und nicht das Sochnut-Magazin! Gemeinheit! Er hat mich reingelegt!

«Vom Alija-Fieber bist du geheilt, oder?», grinst mein Mann. «Gib’s doch zu: Nach zwei Wochen weitab von der nächsten Shopping-Meile, ohne Putzfrau und täglichen Soja-Latte beim Italiener machst du schlapp!» Stimmt. Mann, fühle ich mich jetzt mies. Aber zum Glück gibt’s den Alija-Live-Channel auf YouTube, da kann man glückliche Olim aus dem Flugzeug quellen sehen. Dabei kommen mir immer die Tränen. Seufzend schnäuze ich in mein Taschentuch, nehme noch eine rosa Makrone und nippe an meinem Latte. Das nennt sich dann Sofa-Alija – kann ich Ihnen nur empfehlen!

Interview

»Deutschland ist eine neurotische Nation«

Bassam Tibi über verfehlte Migrationspolitik, Kritik an den Moscheeverbänden und Ansätze für islamische Aufklärung

von Christoph Schmidt  18.04.2024

Verschwörungstheorien

Nach viel kritisiertem Israel-Hass-Video: Jetzt spricht Dieter Hallervorden

Der Schauspieler weist die Kritik an seiner Veröffentlichung zurück

 18.04.2024

Venedig

Israelhasser demonstrieren bei Kunstbiennale

Die Demonstranten forderten einen Boykott israelischer Künstler

 18.04.2024

Klassik

Eine Liebeserklärung an die Mandoline

Der israelische Musiker Avi Avital verleiht Komponisten wie Bach oder Vivaldi einen unverwechselbaren neuen Touch

von Christine Schmitt  18.04.2024

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 18.04.2024

Restitution

Bundesregierung will Herausgabe von NS-Raubkunst erleichtern

Gesetzentwurf sieht unter anderem einen Auskunftsanspruch gegenüber Personen vor, die NS-Raubkunst in Verkehr bringen

 17.04.2024

Berlin

Wenn aus Projektionen Projektile werden

Experten diskutierten bei einer Tagung der Bildungsabteilung im Zentralrat, wie anti-israelische Obsessionen wirken

von Mascha Malburg  17.04.2024

Philosophie

Mit Sartre gegen die Enge

Vincent von Wroblewskys Autobiografie »Vermutlich Deutscher« ist ein kleines Meisterwerk

von Marko Martin  17.04.2024

Glosse

Der Rest der Welt

Tscholent mit Cola? Warum ich die Nachbarn in Holland beneide

von Margalit Edelstein  16.04.2024