Düsseldorf

Campino in der Synagoge

Gemeinde ehrte Tote Hosen und Pianist Thomas Leander mit der Josef-Neuberger-Medaille

von Zlatan Alihodzic  06.10.2014 17:39 Uhr

Auftritt vor dem Aron Hakodesch: Die Toten Hosen geben zur Verleihung ein kurzes Konzert. Foto: dpa

Gemeinde ehrte Tote Hosen und Pianist Thomas Leander mit der Josef-Neuberger-Medaille

von Zlatan Alihodzic  06.10.2014 17:39 Uhr

Campino mit Kippa und ein kleines Konzert vor dem Toraschrein: In der vergangenen Woche wurde in der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf die Josef-Neuberger-Medaille verliehen. Ausgezeichnet wurden der Musikprofessor Thomas Leander von der Robert-Schumann-Hochschule und die Band Die Toten Hosen. Gemeinsam mit jungen Musikern der Hochschule hatten sie im vergangenen Jahr bei drei Konzerten Werke gespielt, die von den Nationalsozialisten als »entartet« diffamiert worden waren.

Damit seien »die damals verbotenen und nach dem Krieg totgeschwiegenen Künstler dem Vergessen entrissen« worden, erklärte Oded Horowitz bei der Preisverleihung. Der Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde unterstrich, dass die Düsseldorfer Band diese Auszeichnung aufgrund ihres steten Engagements auch durchaus schon früher verdient hätte.

CrossOver Als man sich in der Gemeinde den Werdegang der zu Ehrenden angeschaut habe »und sah, wie sie sich seit Jahrzehnten gegen Rechts, Faschismus und Rassismus einsetzen, ergab sich letztlich nur die eine Frage: ›Wieso eigentlich erst jetzt?‹«, erklärte Horowitz. Doch nun gab ein Projekt den Ausschlag, das vor vier Jahren auf Initiative des Hochschulprofessors Thomas Leander ins Leben gerufen worden war.

Mit »Willkommen in Deutschland« wollten Leander und die Toten Hosen mehr als ein Crossover-Projekt aus Klassik und Punkrock schaffen. Beide Seiten seien vorbehaltlos aufeinander zugegangen, um »nicht nebeneinander, sondern miteinander Musik machen zu können«, lobte Raimund Wippermann, Rektor der Hochschule, in seiner Laudatio auf Thomas Leander.

Mit den Konzerten sei es gelungen, »eine Botschaft in die Welt zu tragen«, die von großer Wichtigkeit sei. »Wenn ich mich heute in unserer Welt umschaue – und damit meine ich sowohl in unserem Land, Deutschland, als auch in Europa und darüber hinaus –, dann sehe ich an vielen Orten Tendenzen, das ›Nationale‹ wieder stärker zu betonen. Ich kann nicht verhehlen, dass mich dies mit sehr großer Sorge erfüllt.«

Dafür sowie an zahlreichen anderen Stellen seiner Laudatio erntete Wippermann Applaus während der Preisverleihung, zu der auch die Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD), die Landesminister Sylvia Löhrmann (Grüne) und Guntram Schneider (SPD), Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) sowie ehemalige Preisträger der Josef-Neuberger-Medaille gekommen waren.

Dass jetzt die Toten Hosen in einer Reihe mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog oder Verlegerin Friede Springer stehen, merkte Laudator Eric Fiedler leicht süffisant an. Der Journalist und Regisseur drehte mit den Musikern den Film Nichts als die Wahrheit – 30 Jahre Die Toten Hosen und lernte sie dabei näher kennen. Als die Arbeiten begannen, sei Fiedler kein Fan der Band gewesen, Al Jarreau sei ihm näher gewesen. »Aber ich bin ein Fan geworden. Vielleicht nicht immer ein Fan eurer Musik, aber mehr denn je ein Fan von fünf außergewöhnlichen Männern.«

wachsamkeit In seiner bewegenden Ansprache würdigte er, dass die Toten Hosen während ihrer erfolgreichen Karriere stets wachsam geblieben seien und ihren Kampf gegen Ausgrenzung nie aufgegeben hätten. Dafür – und für ihr musikalisches Schaffen – sei die Band schon häufig ausgezeichnet worden, doch die Verleihung der Josef-Neuberger-Medaille hob Fiedler aus der Reihe an Preisen heraus: »Bemerkenswert ist, dass eine jüdische Gemeinde diesen Preis auslobt und sich damit in dieser erneut schwierigen und durchaus wieder bedrohlichen Zeit weithin sichtbar macht und fünf Künstler nicht nur für ihre Musik auszeichnet, sondern für ihr politisches Engagement, für ihren Einsatz bei Pro Asyl, für ihre klare Haltung gegen Rechts.«

Dass es durchaus Phasen gegeben habe, in denen auch die Toten Hosen des Streitens müde geworden seien, räumte Sänger Campino ein. Oft habe die Band Anfeindungen erleben müssen wegen ihrer klaren Positionen. »Dann sollen sie es doch alleine machen, wenn sie es nicht kapieren«, sei ihm manchmal durch den Kopf gegangen, erklärte Campino.

Doch solche Abende wie der in Düsseldorf würden der Band beweisen, dass jede Sekunde ihrer Anstrengung einen Sinn gehabt hätte. »Das beflügelt einen zu sagen: Ja, wir gehen da wieder raus!« Und den Blick nach oben gegen den imaginären Himmel gehoben, richtet Campino in der Synagoge noch einen Satz an seine verstorbenen Eltern: »Da seht ihr mal, dass euer Sohn in seinem Leben nicht nur wegen seiner Dummheiten auffällt.«

Konzert Mit einer Überraschung, auf die viele Besucher in der Düsseldorfer Synagoge gehofft hatten, ging die Preisverleihung zu Ende: Die Toten Hosen und einige Musiker der Robert-Schumann-Hochschule griffen vor dem Toraschrein zu ihren Instrumenten. Neben »Deutsches Miserere« mit einem Text von Bertolt Brecht und Musik von Hanns Eisler sowie einer Vertonung des Hesse-Gedichts »Im Nebel« spielten die Toten Hosen auch das Stück »Europa« aus ihrem aktuellen Album Ballast der Republik.

Ein bisschen Punk durfte schließlich auch noch sein, und so lud Campino, der nach Konzerten gerne mit Fans anstößt, auch das Publikum in der Synagoge dazu ein, die Gläser mit den Toten Hosen zu erheben.

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