Frankfurt

Besuch in der Moschee

»Muslime stehen auf gegen Hass und Unrecht«: Unter diesem Motto hat der Koordinierungsrat der Muslime (KRM) am vergangenen Freitag einen Aktionstag veranstaltet. Bundesweit fanden in vielen Moscheen Kundgebungen und Mahnwachen statt. Man wollte dem Vorwurf entgegenwirken, Muslime würden sich nicht von den Terrorakten von Islamisten distanzieren. In Frankfurt, Berlin, Hannover und sechs weiteren Städten fanden zentrale Veranstaltungen statt – mit hochrangigen Vertretern aus Politik sowie der christlichen und jüdischen Glaubensgemeinschaften. Ehrengast der Kundgebung in Frankfurt war Zentralratspräsident Dieter Graumann.

Sowohl die Gastgeber als auch der Ehrengast wollten – wie nicht nur den offiziellen Ansprachen zu entnehmen war – an diesem Tag vor allem eines: die Gemeinsamkeiten von Juden und Muslimen betonen und sich gegenseitig ihrer Solidarität versichern. Es sei ihm eine Herzensangelegenheit gewesen, der Einladung zu folgen, erklärte Graumann. Er sei berührt und fühle sich »aufgenommen und angenommen in einer Atmosphäre von Wärme, Nähe und Freundschaft«, sagte der Zentralratspräsident vor rund 200 Zuhörern auf dem Hof der Abubakr-Moschee, wo nach dem Freitagsgebet die Kundgebung abgehalten wurde.

Grundüberzeugung Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime (ZRM), hatte Graumann zuvor im Namen der Gastgeber der Frankfurter Veranstaltung begrüßt und sagte: »Wir verstehen Ihren Besuch als Zeichen der Wertschätzung und Freundschaft uns Muslimen gegenüber.« Mazyek erklärte, dass Graumann und er zwar »in manchen Dingen nicht immer einer Meinung« seien, dass aber beide »ein herzliches Verhältnis und – wie könnte es zwischen Juden und Muslimen anders sein – eine ziemlich ähnliche, in vielen Bereichen eine einheitliche religiöse Grundüberzeugung« verbinde. Danach trug Mazyek einen Text vor, der in allen am Aktionstag teilnehmenden Moscheen verlesen wurde. Darin heißt es unter anderem, dass Muslime im Angesicht von Hass und Unrecht stets dazu berufen seien, »aufzustehen und die Verfolgten und Notleidenden und alle, die Unrecht erfahren, in Schutz zu nehmen«.

Zu dem Aktionstag hatte der KRM kurzfristig – am Dienstag vergangener Woche – aufgerufen und ihn auf einer Pressekonferenz vorgestellt. KRM-Sprecher Ali Kizilkaya erklärte, die Muslime wollten mit den bundesweiten Demonstrationen deutlich machen, dass der Islam für Toleranz stehe und man Extremismus in jeglicher Form eine Absage erteile. Stellung bezog dabei auch Mazyek: »Ich bin ein Jude, wenn Synagogen angegriffen werden. Ich bin ein Christ, wenn Christen beispielsweise im Irak verfolgt werden. Und ich bin ein Moslem, wenn Brandsätze auf ihre Gotteshäuser geworfen werden.«

Der Aktionstag war, obwohl dies nicht explizit so dargestellt wurde, auch eine Reaktion auf die Kritik an Muslimen in Deutschland. In den vergangenen Monaten war immer wieder von unterschiedlichen Seiten kritisiert worden, dass sich Muslime hierzulande nicht deutlich genug von den Terrortaten islamistischer Extremisten distanzierten und auch nicht entschieden genug gegen den Antisemitismus in ihren eigenen Reihen vorgingen. So hatten an der Kundgebung des Zentralrats der Juden, die am 14. September unter dem Motto »Steh auf! Nie wieder Judenhass!« stattfand, nur wenige Muslime teilgenommen.

Signal Bei der Kundgebung in Frankfurt reagierte Graumann auch auf Fragen von Medienvertretern zur Kritik an den muslimischen Verbänden. »Heute senden wir ein Signal der Gemeinsamkeit; das ist ein Signal, das aus dem Herzen kommt, und ich hoffe, dass wir damit auch viele Herzen im Land gewinnen können«, antwortete der Zentralratspräsident. Dass die muslimischen Verbände ein Zeichen setzten gegen Gewalt, gegen Rassismus, gegen Antisemitismus und natürlich auch gegen Muslimfeindlichkeit, das sei gut und wichtig.

Wie Mazyek wies auch Graumann auf die gemeinsamen Wurzeln von Juden und Muslimen hin und erinnerte daran, dass Juden und Muslime »Seite an Seite« für eine Lösung gekämpft hätten, als vor zwei Jahren die Beschneidungsdebatte auch mit antisemitischen und antimuslimischen Untertönen geführt worden sei. »Wir Juden hier haben uns immer für muslimische Menschen eingesetzt, mit Leidenschaft und Kraft, gerade und besonders, wenn sie ausgegrenzt wurden. Denn wir wissen als Juden, wie sich das anfühlt, wir haben das oft erlebt und erleben das immer wieder. Deshalb werden wir immer unsere Stimme erheben, wenn muslimische Menschen hier diskriminiert, wenn sie respektlos behandelt werden. Darauf kann sich jeder ganz fest verlassen«, betonte Graumann.

Meilenstein Die Teilnahme des Zentralratspräsidenten am Aktionstag bewertete Pfarrerin Ilona Klemens, in Frankfurt seit vielen Jahren im interreligiösen Dialog aktiv, als einen »Meilenstein für die muslimisch-jüdischen Beziehungen«. Graumann habe die Herzen der Menschen angesprochen, erklärte sie. »Für mich ein starkes Zeichen, das hoffentlich positiv wirken wird. Eine wohltuend gute Nachricht inmitten all der schrecklichen Ereignisse der letzten Monate«, sagte die Pfarrerin mit Bezug auch auf die Demonstrationen nach dem Ausbruch des Gaza-Konflikts im Juli, als die Stimmung in Teilen der muslimischen Community hochkochte und immer wieder antisemitische Parolen gerufen wurden.

Auch wenn der Aktionstag vom KRM als Initiator und von Graumann sowie vielen anderen Teilnehmern aus Politik und Kirchen in anderen Städten als wichtiges Signal gewertet wird: Unter den Muslimen in Deutschland wird dieser Aktionstag nicht durchweg befürwortet. Diskutiert wird in sozialen Netzwerken und persönlichen Gesprächen unter anderem über die Frage, ob Muslime in Deutschland sich zu Wort melden müssten, wenn Extremisten im Namen des Islams in anderen Ländern Terrorakte verübten und mordeten. Und auch über die Frage, ob und wie sehr es Antisemitismus unter Muslimen gibt, gehen die Meinungen auseinander.

Dschihad Welche Signalwirkung kann von solch einem Aktionstag ausgehen? »Wenn es nur auf einzelne Tage beschränkt ist, dass Moscheegemeinden von Repräsentanten aus Politik und Religionsgemeinschaften besucht werden, nicht viel«, so der Kommentar einer Muslimin auf Facebook. Die junge Frau, die sich in einer Moscheegemeinde engagiert, fordert dazu auf, »uns nicht im Stich zu lassen mit den Problemen des Extremismus und Antisemitismus«.

Moscheegemeinden brauchen Unterstützung, sie allein können nichts ausrichten gegen die Gefahr, die etwa aus dem Internet ausgeht in Bezug auf die Rekrutierung von jungen Muslimen für extremistische Gruppen und die Verbreitung von antisemitischen Einstellungen – das ist eine der Erkenntnisse, die Pfarrerin Klemens aus ihrer bisherigen Arbeit gewonnen hat. »Personen auf der Führungsebene von Religionsgemeinschaften haben eine besondere Verantwortung und Funktion, wenn es darum geht, Signale zu setzen«, meint sie. Der wirkliche Dialog finde aber nicht zwischen den Religionen, sondern zwischen den Menschen statt. »Hier muss auf allen Seiten noch viel passieren. Es braucht Plattformen des Gesprächs zwischen Juden und Muslimen«, sagt Klemens.

Die Kundgebung fand in der Abubakr-Moschee statt, die nach Auskunft der Organisatoren »schönste Moschee Frankfurts«. Dass die Wahl auf diesen Ort fiel, mag aber auch damit zu tun haben, dass diese Gebetsstätte jüngst in einem negativen Kontext in den Fokus der Öffentlichkeit geraten ist. Medien hatten darüber berichtet, dass der Frankfurter Kreshnik B., der derzeit vor Gericht steht, als IS-Kämpfer in den Irak gezogen war, nachdem er von Männern rekrutiert worden sei, die zu den Betern der Abubakr-Moschee gehörten.

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