München

»Gegen den entfesselten Mob«

Charlotte Knobloch Foto: Miryam Gümbel

Ich stehe als deutsche Jüdin vor Ihnen, die nicht glauben kann, was sich in ihrer Heimat, der Bundesrepublik Deutschland, unserem Land, zuträgt. Ich stehe als deutsche Jüdin vor Ihnen, die den Holocaust überlebt hat, das grausamste Menschheitsverbrechen – verübt in deutschem Namen. Ich stehe als deutsche Jüdin vor Ihnen, die diesem Land, unserem Land, die Treue gehalten hat – weil es trotz allem auch mein Land ist, weil ich es trotz allem liebe. Ich stehe als deutsche Jüdin vor Ihnen, die Ihre Koffer ausgepackt hat und in Deutschland angekommen ist.

Eine deutsche Jüdin, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, in unserem Land und für unser Land zu kämpfen – weil ich an die Menschen in Deutschland glaube, weil ich auf sie vertraue – auf ihre Vernunft und ihr Bekenntnis, dass sie nie wieder zulassen werden, was man vor 70 Jahren geschehen ließ.

Zukunft Wir Juden haben geglaubt. Wir haben vertraut. Wir haben auf die Zukunft jüdischen Lebens in unserem Land gebaut. Nun stehe ich vor Ihnen, weil die jüngsten Ereignisse an dieser Überzeugung rütteln. Ich frage mein Land und seine Menschen: Was wird getan? Was lässt man zu?

Der Nahostkonflikt dient als Vorwand, um Judenhass voll auszuleben. Die Fundamentalisten marschieren unter vielen Fahnen. Mit aller Kraft beweisen sie, dass sie die Werte unserer liberalen Gesellschaft verachten. Sie stellen ihre Ideologie über unseren Rechtsstaat und unsere demokratischen Überzeugungen. Sie wollen unser Gemeinwesen zerstören.

Sorgenvoll sehen wir, dass im Schlepptau der radikalen und gewaltbereiten Islamisten die Ewiggestrigen wettern. Und mit ihnen die Extremisten von rechts und links sowie leider auch nicht wenige aus der Mitte der Gesellschaft, wo die aufgeheizte Stimmung willfährig Anschluss findet. Der neue alte Judenhass – er ist da.

Widerstand Der Hass kennt bisweilen keine Grenze mehr. Er verändert unsere Heimat. In dieser Situation sehnen wir Juden uns nach einer breiten Front des Widerstands. Doch bis auf wenige Ausnahmen verharrt die Masse schweigend.

Wo ist die Mehrheitsgesellschaft, die ihre jüdischen Bürger beschützt? Warum bleibt sie unsichtbar, die viel beschworene »überwältigende Mehrheit«, wenn es darauf ankommt, Gesicht zu zeigen? Wir jüdischen Menschen fragen die Bürger unseres Landes: Wo sind Sie? Wer jetzt schweigt, bejaht, was geschieht. Wer zulässt, dass eine wahnhafte Minderheit die Meinungshoheit für sich beansprucht, überlässt sein Land dem ideologischen Mob.

Es ist wahr: Wir Juden sind solidarisch mit Israel. Wir stehen zu der einzigen Demokratie im Nahen Osten, wie es jedem Demokraten gut anstehen würde. Wir unterstützen jenes Land, das stellvertretend für die freie Welt deren Werte gegen den barbarischen Terror verteidigt. Wir stellen uns an die Seite der Menschen im einzigen souveränen Staat, den seine Nachbarn seit der Gründung existenziell bedrohen. Wir nehmen die Freiheit in Anspruch, Israel nicht zu kritisieren. Dafür werden wir mit menschenverachtendem Hass übersät und mit Gewalt bedroht – mitten in Deutschland, im 21. Jahrhundert.

Kraftanstrengung Wir erwarten, dass die Menschen unseres Landes entschlossen widersprechen, wenn ihre jüdischen Bürger Opfer übelster verbaler und gewaltsamer Anfeindungen werden. Wer Worten keine Taten folgen lässt, macht es keinen Deut besser als derjenige, der wegschaut oder schweigend daneben steht. All das, was in den letzten Jahrzehnten unter enormer politischer, gesellschaftlicher, moralischer, ökonomischer und kultureller Kraftanstrengung geschaffen wurde, muss jetzt beschützt und verteidigt werden.

Aus diesem Grund, liebe Freunde, stehe ich vor Ihnen, als deutsche Jüdin, als Münchnerin, um an diesem Ort unserer deutschen Geschichte gemeinsam mit Ihnen ein Zeichen zu setzen: gegen den Hass auf unseren Straßen, gegen den Hass, der unsere Gesellschaft spaltet, gegen den Hass, der unser Gemeinwesen zerstört, gegen den Hass auf Israel, das den Frieden will, aber seine Menschen und seine Existenz gegen unbarmherzigen Terror verteidigen muss, gegen den entfesselten Mob, der unsere Werte mit Füßen tritt, gegen die radikale Minderheit, die zerstören will, was die Mehrheit der Menschen unseres Landes in 65 Jahren aufgebaut hat.

An diesem Ort stehen wir ein: für Demokratie, für Gerechtigkeit, für Frieden – für Einigkeit und Recht und Freiheit! Am Israel chai!

Berlin

Zeichen der Solidarität

Jüdische Gemeinde zu Berlin ist Gastgeber für eine Gruppe israelischer Kinder

 15.04.2024

Berlin

Koscher Foodfestival bei Chabad

»Gerade jetzt ist es wichtig, das kulturelle Miteinander zu stärken«, betont Rabbiner Yehuda Teichtal

 07.04.2024

Hannover

Tränen des Glücks

Auf der Damentoilette gibt es eine Schminkorgie, während Backstage auch mal die Gefühle durchgehen. Aber »je näher der Abend, desto geringer die Aufregung«

von Sophie Albers Ben Chamo  31.03.2024

Hannover

»Alle sollen uns hören und sehen!«

Tag zwei der Jewrovision beweist, dass immer noch mehr Energie möglich ist. Nach Workshops und Super-Hawdala geht es zur Kirmes und auf die Zielgerade zur Generalprobe am Sonntagvormittag

von Sophie Albers Ben Chamo  30.03.2024

Jewrovision

Perfekter Auftritt

Der Countdown zur 21. Jewrovision läuft. Rund 1300 Teilnehmer und Gäste aus den deutschen Gemeinden purzeln in Hannover aus den Bussen und bereiten sich auf das große Finale am Sonntag vor: Time to Shine!

von Sophie Albers Ben Chamo  29.03.2024

Hannover

Tipps von Jewrovision-Juror Mike Singer

Der 24-jährige Rapper und Sänger wurde selbst in einer Castingshow für Kinder bekannt

 26.03.2024

Berlin

Purim für Geflüchtete

Rabbiner Teichtal: »Jetzt ist es wichtiger denn je, den Geflüchteten die Freude am Feiertag zu bringen«

 21.03.2024

Centrum Judaicum Berlin

Neue Reihe zu Darstellungen von Juden in DDR-Filmen

Im April, Mai, August, September und Oktober werden die entsprechenden Filme gezeigt

 20.03.2024

Stiftungsgründung

Zentralrat der Juden ordnet Rabbinerausbildung neu

Das Abraham Geiger Kolleg und das Zacharias Frankel College sollen durch eine neue Trägerstruktur abgelöst werden - mit Unterstützung der staatlichen Zuwendungsgeber

 26.02.2024