Frauen

Den Weg gebahnt

Was passiert, wenn Sie schwanger werden?» Noch allzu gut erinnert sich Sandy Eisenberg Sasso, 1974 als zweite Frau in den USA zur Rabbinerin ordiniert, an ihr erstes Bewerbungsgespräch in einer Gemeinde. «Ich hätte an liebsten gesagt, dass ich ein Biologiebuch besitze. Stattdessen sagte ich: ›Ich glaube an Familienplanung.‹ Ich bekam den Job nicht.»

Auch Jacqueline Tabick musste auf ihrem Weg ins Rabbinat Hürden überwinden – und zwar von Anfang an, als sie sich im Leo Baeck College als Studentin bewarb. «Ich war die Einzige, die im Aufnahmegespräch einen hebräischen Text lesen musste. Ein Mann in der zuständigen Kommission bezweifelte, dass Frauen Hebräisch können.» Doch die resolute Britin glänzte mit dem Beginn der Mischna «Brachot», überzeugte die Männer und wurde 1975, wenige Jahre später, als erste weibliche Absolventin des College zur Rabbinerin ordiniert.

Entmutigungen Auch Sandy Eisenberg Sasso ließ sich nicht abschrecken, obwohl sie als Studentin anonyme Briefe wie diesen erhielt: «Eine Frau als Rabbinerin – die Idee macht mich krank. Ich hoffe, Sie versagen!»

Am Mittwoch vergangener Woche diskutierten sie im Berliner Centrum Judaicum über «Herausforderungen für Rabbinerinnen in der Gegenwart» – vier Frauen, die in ihren jüdischen Denominationen die «Ersten» waren – abgesehen von den Rabbinerinnen Tabick und Sally Priesand, ordiniert als erste Rabbinerin 1972 in den USA durch das Hebrew Union College im Plum Street Temple in Cincinnati.

Denn bereits 1935 war Regina Jonas, Absolventin der liberalen «Hochschule für die Wissenschaft des Judentums» in Berlin, als weltweit erste Frau zur Rabbinerin ordiniert worden – ein historisches Vorbild, das bis heute nachwirkt.

«Wenn sie es geschafft hat, dann schaffe ich es auch», sagte Alina Treiger, die aus der Ukraine stammt und 2010 in der Synagoge Pestalozzistraße als erste Rabbinerin in Deutschland ihre Ordination feierte. In der Sowjetunion seien weibliche Rabbiner völlig unbekannt gewesen, erinnerte sich Treiger.

Orthodoxie Ein weiterer Gast, den viele Zuhörer gerne persönlich kennengelernt hätten, war Sara Hurwitz vom Hebrew Institute in Riverdale, 2009 als erste orthodoxe Frau von den Rabbinern Avi Weiss und Daniel Sperber ordiniert. Ein Akt, der dazu führte, dass das orthodoxe Oberrabbinat in Jerusalem die rabbinische Autorität von Weiss infrage stellte.

Doch Sara Hurwitz, die sich derzeit in Israel aufhält, konnte nicht nach Berlin reisen. Ihr Flug war wegen des Raketenbeschusses von Zielen in Israel durch die Hamas gestrichen worden.
Dennoch mussten die Zuhörer nicht ganz auf die erste orthodoxe Rabbinerin verzichten. Hurwitz, die sich selbst nicht Rabbinerin, sondern «Rabba» nennt, wurde per Skype zugeschaltet.

Sie hatte viele Antworten auf die Frage parat, wie die Ordination von Frauen das Gemeindeleben verändern kann: «So oft haben mir Frauen gesagt: ›G’tt sei Dank muss ich dieses peinliche, intime, persönliche Gespräch nicht mit einem männlichen Rabbiner führen.‹»

Viele Frauen hätten ihr erklärt, sie hätten kein Interesse, selbst eine Führungsrolle in der Synagoge zu übernehmen, berichtete Hurwitz: «Aber die Tatsache, dass eine Frau neben ihnen steht und ihnen hilft, Kaddisch zu sagen, und den Arm um sie legt, und dass diese Frau am Schabbat auf der Frauenseite der Mechiza anwesend ist – das gibt den Beterinnen das Gefühl, Teilnehmer unserer religiösen Gemeinschaft zu sein, und nicht nur Beobachter.»

Frauenempore Und Jacqueline Tabick erinnerte sich an ihre Anfangszeit in der Westend-Synagoge in London: «An den Hohen Feiertagen saßen die Frauen auf der Galerie. Seitdem ich selbst auf der Bima stand und den Gottesdienst leitete, wurde das unmöglich. Und die Zahl der Mädchen, die Batmizwa feierten, nahm stark zu.»

Doch trotz aller Erfolge – in allen jüdischen Denominationen unterrichten mittlerweile Frauen an den Rabbinerseminaren, mancherorts machen sie die Hälfte des Lehrkörpers aus – stellten die Rabbinerinnen auch heute noch Benachteiligungen fest. Obwohl Frauen offiziell im Amt erwünscht seien, wünschten sich die meisten Gemeinden «einen jungen Rabbiner mit schwangerer Ehefrau», so Tabick.

Immer noch sei es für Frauen schwierig, einen Job als Hauptrabbinerin an einer großen Synagoge zu bekommen, beklagte Sally Priesand.

Gehälter «Ein weiteres Problem, wie in anderen Berufen, sind Gehaltsunterschiede – weibliche Rabbiner verdienen nur 80 Prozent dessen, was männliche Rabbiner bekommen. Es gebe immer noch eine «gläserne Decke» für Frauen in der Führungsspitze großer jüdischer Organisationen, stellte Sandy Eisenberg Sasso fest.

Deswegen sollten Frauen aber nicht ihre eigenen Bedürfnisse missachten, unterstrich Sally Priesand. «Oft habe ich in meinem Leben Entscheidungen gefällt, von denen ich dachte, dass sie gut für Frauen im Rabbinat sein würden, aber sie waren nicht unbedingt gut für mich», resümierte sie: «Als erste Rabbinerin in den USA hat mich jeder beobachtet, und das hat mich sehr unter Druck gesetzt. Aber meine Synagoge hat mich zum Glück gelehrt, dass ›Erfolg‹ nicht unbedingt ›größer‹ bedeutet. ›Erfolg‹ bedeutet nur, dass man es heute besser macht als gestern.»

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