Glossar

Amida

Die Amida wird auch als das »stille Gebet« bezeichnet. Foto: Rafael Herlich

Die Amida, das Schmone Esre, ist das zentrale Gebet im Judentum. Deswegen wird es in der Sprache des Talmuds einfach als Tefila, Gebet, bezeichnet. Wie die meisten unserer Segenssprüche (Brachot) wurde dieses Gebet von den Männern der Großen Versammlung verfasst.

Das Gremium bestand aus 120 Weisen, unter denen sich die letzten Propheten der Zeit nach der Zerstörung des Ersten Tempels befanden. Davor gab es weder eine festgeschriebene Ordnung noch eine genaue Textvorgabe für die Gebete. »Jedes Individuum betete für sich – seinem Wissen, seiner Weisheit und der Klarheit der Ausdrucksweise nach« (Rabejnu Bachja, Kad Hakemach).

Es werden mehrere Gründe dafür genannt, warum die Männer der Großen Versammlung diese Änderung vornahmen: Rambam schreibt in Hilchot Tfila 1, 4–5, dass sich das jüdische Volk mit Griechen, Persern und anderen Völkern vermischte, nachdem es der böse Nebuchadnezar ins Exil geschickt hatte. Sie bekamen Kinder, die bald nicht mehr in der Lage waren, ihre Gebete in klarem Hebräisch zu formulieren. Esra – er gehörte zu den Männern der Großen Versammlung – erkannte dieses Problem und formulierte die Amida.

Prophetie
Ein anderer Grund, der für die Entstehung der Amida genannt wird, ist, dass dem jüdischen Volk die Gabe der Prophetie weggenommen wurde. Ein Bruchteil der Prophetie war bei jedem vorhanden, aus diesem Grund konnte auch jeder seine Gebete richtig formulieren. Doch als klar war, dass diese Gabe uns verlässt und wir nicht mehr in der Lage sein werden, unsere Gebete selbst richtig zu artikulieren, griffen die Männer der Großen Versammlung ein und verfassten die Gebete selbst.

Ein weiterer möglicher Grund für die Entstehung der Amida ist, dass der Tempel nicht nur für die Beziehung zwischen dem jüdischen Volk und G’tt sorgte, sondern auch für die Beziehungen innerhalb des Volkes.

Der Tempel war die Begegnungsstätte, in der sich das ganze Volk zu den drei Wallfahrtsfesten traf. Es war das zentrale Heiligtum, zu dem jeder hinaufschaute. Die physische Zerstörung des Tempels hätte auch die geistige Zerstreuung des jüdischen Volkes nach sich gezogen – wenn unsere Weisen dem nicht entgegengewirkt hätten: Sie formulierten ein zentrales Gebet, das von allen Juden auf der ganzen Welt in einer Sprache gesprochen wird.

Das Gebet soll das jüdische Volk, zumindest auf religiöser Ebene, zusammenhalten. Aus diesem Grund sind in der Amida viele Bitten in der Wir-Form geschrieben. Sie sollen die Einheit des jüdischen Volkes hervorheben und bekräftigen.

Schmone Esre Wie der Name Schmone Esre (Hebräisch für 18) sagt, bestand die Amida ursprünglich aus 18 Segenssprüchen. In den ersten dreien stellen wir uns quasi vor. Dabei berufen wir uns auf unsere Vorväter Awraham, Jizchak und Jakow und preisen die Kraft, Macht und die Heiligkeit G’ttes. Die mittleren zwölf Segenssprüche bestehen vor allem aus Bitten, wie für Weisheit, Gesundheit, materiellen Segen und Erlösung. In den letzten drei Brachot geht es um die Anerkennung G’ttes, den Ihm gebührenden Dank und um Frieden.

Der Frieden steht am Ende, um zu zeigen, dass er die oberste Priorität hat – ohne ihn kann keiner der anderen Segenssprüche eintreffen. Also ist die Formel: preisen, bitten und danken. Später wurde in die Mitte der Amida eine 19. Bracha hinzugefügt: gegen die Verräter. An Feiertagen werden die mittleren Segenssprüche nicht gesprochen, sondern durch besondere Schabbat- oder Feiertagsbrachot ersetzt.

Der Name »Amida« geht auf das Verb amad (stehen) zurück, denn das Gebet wird im Stehen gesprochen. Oft wird es auch als »das stille Gebet« bezeichnet, denn jeder spricht es leise und bei höchster Konzentration. Gewöhnlich wird es dreimal am Tag gesagt und an Feiertagen viermal – entsprechend den Opfergaben im Tempel, die durch das Gebet ersetzt wurden.