Glossar

Giur

Für alle anderen Juden ist es ein Gebot, den Ger willkommen zu heißen und ihn nach dem Übertritt nicht mehr an seine Vergangenheit zu erinnern. Foto: Thinkstock

König David und Rabbi Akiva, die geistigen Größen Israels, haben etwas gemeinsam: Sie stammen beide von »Gerim« ab, Menschen, die zum Judentum übergetreten sind. König Davids Urgroßmutter Ruth ist im Tanach das bekannteste Beispiel von jemandem, der mit unerschütterlichem Willen daran festhielt, Teil des jüdischen Volkes zu werden. Neben Talmud und Schulchan Aruch haben die Rabbiner sich zum Teil auch an der Geschichte Ruths orientiert, um den Übertrittsprozess festzulegen.

Das Judentum ist keine missionarische Religion. Im Talmud (Sanhedrin 58b) erklären uns die Rabbinen, dass es für Nichtjuden genügt, die sieben noachidischen Gesetze einzuhalten, um ihren Teil in der künftigen Welt (Olam Haba) zu erlangen. Diejenigen, die sich allerdings fest entschlossen haben, zum Judentum überzutreten, also »Giur« zu machen, müssen sich bewusst sein, dass sie danach die 613 Gebote der Tora einhalten müssen.

Ruth Das ist auch der Grund, warum es die Rabbiner den Übertrittswilligen am Anfang nicht so einfach machen und sie meistens zuerst drei Mal abweisen – wie auch Naomi ihre Schwiegertochter Ruth drei Mal abgewiesen hat. Die Rabbiner wissen, dass es in manchen Zeiten nicht einfach ist, jüdisch zu sein, und wollen sich deshalb erst von der Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit dieser Person überzeugen.

Ist die erste Hürde überwunden, kann ein Giur, von den Umständen abhängig, bis zu zwei Jahren oder länger dauern. So lange hat der »Ger« Zeit, seine Entscheidung noch einmal zu überdenken. Während dieser Zeit fängt er an, schrittweise die Gebote einzuhalten und ein jüdisches Leben zu führen. Gegen Ende des Prozesses legt der Ger oder die Gioret eine Prüfung ab, in der sein Wissen geprüft wird. Ein rabbinisches Gericht (Beit Din) wird schlussendlich darüber entscheiden, ob der Ger übertreten darf oder nicht. Sollte er abgewiesen werden, kann er weiterlernen und später noch einmal vorstellig werden.

Mikwe Wer vom Beit Din angenommen wurde, für den beginnt jetzt der finale Schritt zum Judentum: das Eintauchen in die Mikwe, und für die Männer kommt die Beschneidung hinzu. Ab sofort gilt die übergetretene Person nicht mehr als Ger, sondern als Jude, der sich von nun an verpflichtet, sämtliche Gebote einzuhalten.

Für alle anderen Juden ist es ein Gebot, den Ger willkommen zu heißen und ihn nach dem Übertritt nicht mehr an seine Vergangenheit zu erinnern. Denn es steht geschrieben: »Der Fremde (Ger), der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer G’tt« (3. Buch Mose 19, 33–34).

Eltern Ein wichtiger Schritt vor der Mikwe: Der Ger wählt einen jüdischen Vornamen aus, mit dem er künftig in der Gemeinde aufgerufen wird und bekannt ist. Da im Judentum die Menschen immer auch nach dem Namen der Eltern bekannt sind, quasi als eine Art Familiennamen, und die Gerim keine jüdischen Eltern haben, werden sie jeweils nach Awraham Awinu und Sara Imeinu benannt. Diese gelten als die geistigen Eltern aller Juden.

Kinder, die nach dem Übertritt einer Frau geboren werden, gelten als gesetzlich anerkannte Juden, die auch alle anderen Juden später heiraten können. Die Gioret selbst kann allerdings keinen Nachfahren eines Priesters (Kohen) heiraten. Dies hat mit dem Reinheitsstatus des Kohen zu tun (3. Buch Mose 21,14, Talmud Kidduschin 78a).

Obwohl der Neuankömmling keine jüdischen Eltern hat, wird er ermutigt, das Gebot, Vater und Mutter zu ehren, weiterhin zu befolgen (Kitzur Schulchan Aruch 143,22, Jore Dea 2,130).