Maccabiah

Zweiter Anlauf

Ihre erste Maccabiah 2009 war für Debby Rosenthal »ein gigantisches Erlebnis«. Mitte Juli nimmt sie zum zweiten Mal an der Veranstaltung teil. Foto: Stephan Pramme

Debby Rosenthal ist am Limit. Mit zusammengebissenen Zähnen macht die 20-jährige Berlinerin Sit-ups, gleich neben dem Sportplatz ihres Vereins Steglitzer Tennis-Klub (STK). Es ist heiß am vergangenen Mittwochnachmittag, über 30 Grad im Schatten. »Ab dem 50. Sit-up wird es richtig anstrengend«, ächzt Rosenthal. »Dann übersäuert der Körper und wird von Laktat geflutet.«

Für sie ist jedoch gerade erst dann jener Moment gekommen, der im Training den Unterschied macht: Entweder man hört auf, oder man quält sich bis zur Erschöpfung. Nur Letzteres bringt einen weiter, ist Rosenthal überzeugt. Wenig später ist beim 80. Sit-up auch für Rosenthal Schluss. »Genug davon«, sagt sie mehr zu sich selbst als zu ihrem Trainer, der neben ihr steht, und schnappt sich ein Theraband, um eine andere Übung zu beginnen.

erlebnis Wie viele andere jüdische Sportler hat Debby Rosenthal derzeit nur ein Ziel: ein möglichst gutes Ergebnis bei der 19. Maccabiah, die am 18. Juli in Israel beginnt. Mehr als 9000 Athleten aus rund 80 Ländern treten bei der »jüdischen Olympiade« an. »Als Sportlerin und Jüdin ein gigantisches Erlebnis«, weiß Rosenthal, die im Jahr 2009 zum ersten Mal an dem Wettbewerb teilgenommen hat.

Getrübt wird ihre Vorfreude nur durch eine Verletzung, die sie sich vor Kurzem zugezogen hat. Ausgerechnet im letzten Saisonspiel Anfang Juni prallte der Hockeyball mit voller Wucht auf ihre Schlaghand. Diagnose: ein glatter Bruch im Zeigefingerknochen. Bis zum Abflug nach Israel Mitte Juli kann sie deshalb nicht mit ihren Teamkolleginnen von Makkabi Deutschland trainieren. »Mannschafts- und Lauftraining hat mir der Arzt wegen der Erschütterung strikt verboten«, erklärt die Sportlerin. Erst einen Tag vor dem gemeinsamen Flug nach Israel wird ihr der Gips endlich abgenommen.

Um dennoch möglichst fit nach Israel zu reisen, trainiert sie seit einem Monat gezwungenermaßen allein. Auf ihrem Plan stehen unter anderem Kraft- und Ausdauereinheiten auf dem Fahrradergometer. »Ob sich das Training ohne Ball auszahlt, weiß ich erst, wenn der Gips ab ist und ich wieder spielen kann. Bis dahin kann ich nur hoffen«, sagt Rosenthal nachdenklich. Sorgen bereitet ihr zudem die Hitze in Israel. »Mitte Juli kann es dort schon brutal warm werden.«

Turnier Obwohl die junge Sportlerin ehrgeizig ist, ist ihr die Maccabiah nicht nur in sportlicher Hinsicht wichtig. Durch das Turnier trifft sie endlich wieder ihre Teamkameradinnen aus ganz Deutschland, mit denen sie auch sehr gut befreundet ist. Diese leben überwiegend in Frankfurt, Köln, München und Hamburg. Reisen zu den Turnieren wie nun zur Maccabiah sind für sie deshalb »immer auch so etwas wie eine jüdische Klassenfahrt«.

Außerhalb von Makkabi hat Debby Rosenthal zu ihrem Bedauern keine jüdischen Freunde. Als ausgesprochen religiös bezeichnet sie sich zwar nicht. Sie und ihre Familie begehen die Feiertage, besuchen die Synagoge, »mein Judentum beschränkt sich leider überwiegend auf den familiären Bereich«. Umso wichtiger ist es ihr deshalb, mit ihren Freundinnen nach Israel zu reisen. »Das ist für mich eine Stärkung meiner jüdischen Identität.«

Darüber hinaus ist für sie die ganz besondere Zusammensetzung des Teams ihr persönliches Highlight bei der Maccabiah. Im Gegensatz zu anderen Mannschaften ist das Makkabi-Hockeyteam »bunt gemischt«, wie Rosenthal erklärt. Von Europas bester Spielerin im Jahr 2012 bis hin zu einer 15-jährigen unerfahrenen Spielerin reicht das Spektrum des deutschen Makkabi-Teams. Größter Rückhalt der Mannschaft ist die amtierende Welt- und Europameisterin im Hallenhockey, Rebecca Landshut. Die Hamburgerin ist 30 Jahre alt, bringt viel Erfahrung mit und kann ein Spiel auch schon mal »allein rumreißen«, weiß Rosenthal.

aussicht Trotz ihrer Begeisterung fürs Hockey ist und bleibt der Sport für Debby Rosenthal ein Hobby. Die Berlinerin spielt zwar mit ihrem Verein STK in der dritten Liga. Um zweite oder gar erste Liga zu spielen, müsste sie indes täglich trainieren und alles dem Sport unterordnen. »Dazu bin ich nicht bereit«, erklärt die 20-Jährige entschieden. »Zumal selbst in der höchsten Spielklasse keiner vom Hockey allein leben kann.«

Viel lieber will Rosenthal in der Filmbranche Fuß fassen. »Am liebsten als Producerin«, wünscht sie sich. Das erinnert sie an ihre Position als Mittelfeldspielern beim Hockey. »Man behält die Gesamtübersicht und spielt jedem die Bälle zu.« Um ihren Berufswunsch zu verwirklichen, hat sie nach ihrem Abitur im vergangenen Jahr mehrere Praktika bei Filmproduktionen absolviert. Zuletzt assistierte sie am Set des neuen Films von Simone Thomalla.

Von der Tatort-Ermittlerin war Debby Rosenthal überrascht: »Ich hatte durch die Boulevard-Berichterstattung das Bild von der komplizierten Zicke im Kopf«, berichtet sie. »Am Set war sie dann aber ganz freundlich und unaffektiert.« Wenn alles gut läuft, wird Rosenthal nach der Maccabiah TV-Producing studieren. »Aber jetzt steht erst einmal Israel an. Ich kann im Moment eh an nichts anderes denken.«

chancen Haushoher Favorit bei dem Turnier sind übrigens die Niederlande, ist Debby überzeugt. »Dort gibt es aus irgendeinem Grund ebenso viele wie gute jüdische Hockeyspielerinnen«, sagt sie und lacht. Während andere Hockeyteams bei den Damen nur mit Mühe ein komplettes Team zusammenbekommen, können die Niederlande aus dem Vollen schöpfen. Fast jede Position ist bei ihnen doppelt besetzt. Makkabi Deutschland hingegen verfügt gerade mal über zwei Ersatzspielerinnen.

Gefragt, welches Ergebnis sie und ihr Team anpeilen, muss Rosenthal erst einmal lange überlegen. »Wir sind sicherlich nicht so stark wie bei der europäischen Maccabiah im Jahr 2011 in Wien, aber eine Medaille sollte schon drin sein«, findet sie. Und fügt dann doch noch nach einer kleinen Pause hinzu: »Israel ist bekanntlich das Land der Wunder: Gold zu holen ist hoffentlich auch drin.«

Maccabiah
Die erste Maccabiah fand 1932 in Tel Aviv statt. Entstanden ist der Wettbewerb aus der zionistischen Makkabi-Sportbewegung während der 30er-Jahre. Mit mehreren Tausend teilnehmenden Athleten von allen Kontinenten ist die Veranstaltung nach den Olympischen Spielen und den Universiaden die drittgrößte Sportveranstaltung der Welt. Sie findet alle vier Jahre in Israel statt und wird von der Maccabi World Union organisert.

Hannover

Die Vorfreude steigt

Die Jewrovision ist für Teilnehmer und Besucher mehr als nur ein Wettbewerb. Stimmen zu Europas größten jüdischen Musikevent

von Christine Schmitt  29.03.2024

Dialog

Digital mitdenken

Schalom Aleikum widmete sich unter dem Motto »Elefant im Raum« einem wichtigen Thema

von Stefan Laurin  28.03.2024

Jugendzentren

Gemeinsam stark

Der Gastgeber Hannover ist hoch motiviert – auch Kinder aus kleineren Gemeinden reisen zur Jewrovision

von Christine Schmitt  28.03.2024

Jewrovision

»Seid ihr selbst auf der Bühne«

Jurymitglied Mateo Jasik über Vorbereitung, gelungene Auftritte und vor allem: Spaß

von Christine Schmitt  28.03.2024

Literaturhandlung

Ein Kapitel geht zu Ende

Vor 33 Jahren wurde die Literaturhandlung Berlin gegründet, um jüdisches Leben abzubilden – nun schließt sie

von Christine Schmitt  28.03.2024

Antonia Yamin

»Die eigene Meinung bilden«

Die Reporterin wird Leiterin von Taglit Germany und will mehr jungen Juden Reisen nach Israel ermöglichen. Ein Gespräch

von Mascha Malburg  28.03.2024

Hannover

Tipps von Jewrovision-Juror Mike Singer

Der 24-jährige Rapper und Sänger wurde selbst in einer Castingshow für Kinder bekannt.

 26.03.2024

Party

Wenn Dinos Hamantaschen essen

Die Jüdische Gemeinde Chabad Lubawitsch lud Geflüchtete und Familien zur großen Purimfeier in ein Hotel am Potsdamer Platz

von Katrin Richter  25.03.2024

Antisemitismus

»Limitiertes Verständnis«

Friederike Lorenz-Sinai und Marina Chernivsky über ihre Arbeit mit deutschen Hochschulen

von Martin Brandt  24.03.2024