Meinung

Mord, einfach so

Der frühere Punk Enrico Schreiber wird in Frankfurt/Oder von drei Skinheads zusammengeschlagen und stirbt bald darauf; »war ja nur ein Punk«, sagt einer der Täter. Der Pole Andrzej Fratcak wird in Lübbenau erstochen; mindestens zwei der drei Täter gelten als Nazis und greifen später auch ein Asylbewerberheim an. Der Marokkaner Belaid Bayla wird verprügelt, als er in einer Kneipe in Belzig ein Bier trinken möchte; an den Spätfolgen stirbt er.

Bei keinem dieser Tötungsdelikte geht die Justiz bislang von einem rechtsextremen Hintergrund aus. Während Opferverbände seit 1990 in Brandenburg 32 rechtextreme Tötungen gezählt haben, will die Polizei das nur in neun Fällen zugestehen. Daher hat das Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ) in Potsdam nun den Auftrag bekommen, die Fälle genauer zu beleuchten. Es geht, in aller Kürze formuliert, darum, endlich die Augen aufzumachen!

NSU Es ist der Normalfall in diesem Land, erst einmal abzuwiegeln: Der Täter sei betrunken gewesen, das Opfer habe provoziert, und die Taten seien normale Kriminalität, ohne Vorgeschichte. Nach diesem Muster wurde auch zehn Jahre lang im Milieu der Opfer des NSU ermittelt und von »Dönermorden« gesprochen, bis man durch Zufall darauf stieß, dass die Täter in Serie handelnde Nazis waren.

Diese zur Normalität geronnene Sicht ist doppelt skandalös: Zum einen relativiert und verharmlost sie Verbrechen, die sich für die Opfer nie als relativ harmlos darstellen. Zum anderen verstellt sie den Blick auf die Realität in diesem Land. Es gibt eben nicht die simple Kriminalität, die ohne gesellschaftlichen Hintergrund daherkommt. Es gibt nicht die einfach so ausgesprochene antisemitische oder rassistische Beleidigung, deren Ursache bloß das zuletzt und zu viel getrunkene Bier ist.

Die Morde, die das MMZ jetzt untersucht, haben nicht einfach so stattgefunden, sondern fanden in einem Klima statt, in dem Punks und Polen, Schwarze und Juden als minderwertig beschimpft werden. Da ist es auch sehr zu begrüßen, dass sich das Innenministerium Brandenburg an das MMZ gewandt hat, das doch eigentlich für die Erforschung der europäisch-jüdischen Geschichte zuständig ist.

Es gibt nämlich so etwas wie eine Kompetenz der Betroffenen, die sehr genau erkennen, wenn sie gehasst werden. Wenn die Normalität, die in rassistischen und antisemitischen Straftaten keine besonderen Delikte erkennt, nicht durchbrochen wird, geht das Morden weiter.

Umfrage

Studie: Für die meisten muslimischen Schüler ist der Koran wichtiger als deutsche Gesetze

Fast die Hälfte der Befragten will einen islamischen Gottesstaat

 22.04.2024

Vereinte Nationen

»Whitewash«: UNRWA-Prüfbericht vorgelegt

Eine Untersuchung sollte die schweren Vorwürfe gegen das UN-Hilfswerk aufklären - vorab sickerten erste Details durch

von Michael Thaidigsmann  22.04.2024

Berlin

Ausstellung will Leben in Geiselhaft simulieren

In der Fasanenstraße werden in einem Container die Bedingungen der Geiseln in Gaza simuliert

von Pascal Beck  22.04.2024

Rechtsextremismus

»Höckes Sprachgebrauch ist ein klarer Angriff - und erfolgreich«

Der Soziologe Andreas Kemper zu Strategien des AfD-Politikers

von Nils Sandrisser  22.04.2024

Frankreich

Französischer Bürgermeister zeigt Hitlergruß - Rücktrittsforderungen

Die Präfektur Val-de-Marne will die Justiz einschalten

 22.04.2024

Meinung

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Fall Samir

Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Österreich

Vier Deutsche nach Gedenkbesuch bei Hitlers Geburtshaus angezeigt

Die Verdächtigen waren nach Braunau gefahren, um dort weiße Rosen niederzulegen

 22.04.2024

Berlin

Große KZ-Gedenkstätten gegen Schüler-Pflichtbesuche

Die Unionsfraktion hatte sich dafür ausgesprochen

 22.04.2024

Meinung

Erinnert euch an Ägypten

Nur eine Handvoll Mitglieder zählen die Gemeinden in Kairo und Alexandria heute. Jedoch haben die wenigsten Juden ihre Heimat aus religiöser Sehnsucht verlassen – sie wurden gewaltvoll vertrieben

von Mascha Malburg  22.04.2024