Rückblende

1949: Antisemitismus in der »Süddeutschen Zeitung«

Unsere Serie über die Geschichte der Juden in Deutschland nach der Schoa: Folge 5

von Michael Brenner  05.11.2012 18:01 Uhr

Wut: Schoa-Überlebende protestieren in München gegen die »SZ«. Foto: bpk

Unsere Serie über die Geschichte der Juden in Deutschland nach der Schoa: Folge 5

von Michael Brenner  05.11.2012 18:01 Uhr

Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen aufgebrachten Schoa-Überlebenden und deutschen Polizisten am 10. August 1949 im Münchner Stadtteil Bogenhausen trugen jüdische Demonstranten ein großes Plakat mit der Aufschrift: »Down with the Stürmer of 1949 – The Süddeutsche Zeitung«.

Was war passiert? Ein Artikel wenige Tage vorher hatte US-Militärgouverneur John J. McCloy zitiert, wonach Deutschlands zukünftige Behandlung der Juden ein Prüfstein für seine Anerkennung in der Weltgemeinschaft sein werde. Die Redaktion der SZ veröffentlichte daraufhin mehrere Leserbriefe. Zu Wort kam der aus dem amerikanischen Exil zurückgekehrte Übersetzer bei den Nürnberger Prozessen und spätere Münchner Gemeindepräsident Hans Lamm, der sich bitter beklagte, dass viele Deutsche die Schwarzmarktaktivitäten der jüdischen Überlebenden mit den Verbrechen von Auschwitz gleichsetzten.

Direkt neben Lamms Schreiben fand sich der Stein des Anstoßes: der Brief eines pseudonymen »Adolf Bleibtreu«, wohnhaft in einer fiktiven »Palästrinastraße« (!). Dieser wahrhaft dem NS-Gedankengut treu gebliebene Leser rechnete sich »zu den Stillen im Lande«. Er musste jetzt loswerden, was ihm »der Ami«, bei dem er beschäftigt sei, über die Juden gesagt habe: nämlich das Bedauern darüber, »dass wir nicht alle vergast haben, denn jetzt beglücken sie Amerika«.

aggression Eine solche Äußerung zu veröffentlichen, gerade einmal vier Jahre, nachdem die Gaskammern ihren Betrieb eingestellt hatten, zeugte von wenig Sensibilität. Die gewaltsame Reaktion, bei der die Demonstranten Pflastersteine warfen und die Polizisten Schlagstöcke einsetzten, machte auch deutlich, wie viel angestaute Aggression es zwischen den in Deutschland lebenden Holocaust-Überlebenden und der deutschen Bevölkerung gab.

Es grenzt an ein Wunder, dass sich in der emotionsgeladenen Stimmung der unmittelbaren Nachkriegsjahre, als eine Viertelmillion osteuropäischer Juden unter Deutschen lebte, nicht viel mehr gewaltsame Zwischenfälle ereigneten. Gewiss, bei Razzien in DP-Lagern und Zusammenstößen mit deutschen Polizisten gab es einige Verwundete und sogar Tote, doch führten die kaum zu Racheaktionen der Juden. Insgesamt überwog die Trauer das Gefühl des Hasses.

Ab den 50er-Jahren kam es trotz anhaltender antisemitischer Zwischenfälle nicht mehr zu offenen jüdischen Straßenprotesten. Das änderte sich erst Mitte der 80er-Jahre mit dem Heranwachsen einer neuen Generation. In Frankfurt/M. stürmten 1985 Juden die Bühne, um gegen die Aufführung des als antisemitisch betrachteten Fassbinder-Stücks Der Müll, die Stadt und der Tod zu protestieren. Im selben Jahr demonstrierten Juden als Juden gegen den Besuch von US-Präsident Reagan und Bundeskanzler Kohl auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg mit seinen Waffen-SS-Gräbern.

Berlin

»UNRWA ist Teil des Problems«

Israels Botschafter Ron Prosor präsentiert Informationen zur engen Verbindung der Terrororganisation Hamas mit dem UN-Palästinenserhilfswerk

 28.03.2024

Halle / Frankfurt

DFB lässt proisraelisches Plakat bei Länderspiel abhängen

Plakat mit der Aufschrift »Bring them Home now« sei nicht genehmigt und entgegen UEFA-Regularien gewesen

 28.03.2024

Sachsen

Trotz antisemitischer Vorfälle: Leipziger Friedenspreis geht an »Handala«-Gruppierung

Die »pro-palästinensische Gruppierung« steht immer wieder wegen antisemitischer Vorfälle in der Kritik

 27.03.2024

Analyse

Allein

Der Jude unter den Staaten: Wie Israel von der Weltgemeinschaft verleumdet und im Stich gelassen wird

von Maria Ossowski  27.03.2024

Manchester Airport

Überlebende des 7. Oktober bei Einreise beschimpft

»Wir müssen sicherstellen, dass Sie hier nicht dasselbe tun wie in Gaza«, sagt ein Grenzbeamter zu den Israelis

von Imanuel Marcus  27.03.2024 Aktualisiert

USA/Israel

US-Verteidigungsminister empfängt israelischen Amtskollegen

»Wir den Kampf in Gaza nicht beenden, bevor wir alle Verschleppten nach Hause bringen«, erklärt Joav Gallant

 27.03.2024

Bundesregierung

Charlotte Knobloch fordert Rauswurf von Kulturstaatsministerin Roth

IKG-Chefin und Schoa-Überlebende: »Was passiert ist, war einfach zu viel«

 26.03.2024

Berlin

Nach Angriff auf jüdischen Studenten: Hochschulgesetz wird verschärft

Möglichkeit der Exmatrikulation wurde zuvor von Rot-Grün-Rot abgeschafft

 26.03.2024

Deutschland

Einbürgerungstests: Das sind die Fragen zu Israel und jüdischem Leben

»Wer unsere Werte nicht teilt, kann keinen deutschen Pass bekommen«, sagt Innenministerin Faeser

 26.03.2024