Glossar

Netillat Jadajim

Religiöse Begriffe aus der Welt des Judentums

von Noemi Berger  16.10.2012 12:35 Uhr

Aus einem Gefäß wie diesem wird das Wasser fürs rituelle Händewaschen geschöpft. Foto: JA

Religiöse Begriffe aus der Welt des Judentums

von Noemi Berger  16.10.2012 12:35 Uhr

Wozu dient das rituelle Händewaschen (»Netillat Jadajim«) vor einer Mahlzeit, bei der auch Brot serviert wird? Man könnte meinen, dies würde ausschließlich geschehen, um die Hände vor dem Essen zu reinigen. Doch der Ursprung für dieses Gebot ist biblisch: »Und der Herr sprach zu Mosche: Du sollst auch ein ehernes Handfass machen (...) zum Waschen, und sollst es setzen zwischen die Stiftshütte und den Altar und Wasser hineintun, damit Aharon und seine Söhne ihre Hände und Füße darin waschen, wenn sie (...) dienen. (...) Das soll eine ewige Weise sein (…) ihm und seinen Nachkommen« (2. Buch Moses 30, 17-21).

symbol Nach der Zerstörung des Tempels hat der Tisch des jüdischen Hauses symbolisch die Bedeutung des Altars und das Brot die der Opfer übernommen, die einst die Kohanim darbrachten. Unsere Weisen wollten die Praxis des rituellen Händewaschens nicht in Vergessenheit geraten lassen, da sie davon ausgingen, dass Tempel und Priestertum eines Tages wieder eingerichtet werden würden. Und so waschen gesetzestreue Juden stets die Hände, bevor sie Brot essen.

Auch wenn der ursprüngliche Anlass für das Waschen der Hände nicht mehr gilt, wurde das Ritual mit der Begründung fortgesetzt, dass die Heiligkeit ein spezielles, rituelles Waschen der Hände verlangt, um dadurch das G’ttliche in den profanen Alltag einzubinden.

Das Wasser wird aus einem Gefäß zweimal über die rechte und dann zweimal über die linke Hand gegossen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die ungewaschenen Hände nicht das Wasser berühren, das zum Waschen verwendet wird. Nach dem Abtrocknen wird ein Segen rezitiert: »Gelobt seist Du, Herr, unser G’tt, König des Universums, der uns geheiligt hat mit Deinen Geboten und uns das Waschen der Hände befohlen hat.« Der Verweis auf den Befehl G’ttes muss so verstanden werden, dass auch die rabbinischen Satzungen als von G’tt befohlen gelten.

Im Talmud lernen wir außerdem etwas über das Händewaschen nach der Mahlzeit (»Majim Achronim« – das Wasser danach). Der Grund hierfür war, dass die Menschen damals mit den Händen aßen. Viele Speisen enthielten ein bestimmtes Salz, das Verletzungen verursachte, wenn es mit den Augen in Berührung kam. Die rabbinischen Autoritäten im mittelalterlichen Frankreich argumentierten, dass diese hygienische Maßnahme nicht mehr erforderlich sei, da diese Art von Salz nicht mehr verwendet wurde. Und so waschen einige ihre Hände nach dem Essen nicht rituell. Beim »Majim Achronim«-Ritual wird kein Segensspruch gesagt, man gießt lediglich ein wenig Wasser aus einem Gefäß über die Finger beider Hände.

»unreiner Geist« Wir kennen noch weitere rituelle Waschungen der Hände, wie die nach dem Aufwachen. Eine Begründung hierfür ist, dass während des Schlafes ein »unreiner Geist« auf dem Körper ruht, der ihn nach dem Aufwachen wieder verlässt, aber einen Rückstand auf den Fingernägeln hinterlässt, den wir mit dem – auf Jiddisch – »Negelwasser« entfernen, wobei wir das Wasser auf die rechte und dann auf die linke Hand gießen und dies drei Mal wiederholen. Manche haben stets eine Tasse mit Wasser und eine Schüssel am Bett, sodass sie die Hände sofort nach dem Erwachen waschen können.

Üblicherweise wäscht man die Hände auch vor einer religiösen Handlung oder einem Gebet. Ebenso ist es Brauch, die Hände nach dem Besuch des Friedhofs rituell zu waschen.