Posse

Die Schwulen und die Stelen

Schon als Ende der 90er-Jahre die ersten Entwürfe von Peter Eisenmans Berliner Holocaustmahnmal bekannt wurden, gab es Prophezeiungen, dass die Architektur des Stelenwalds zur Zweckentfremdung geradezu einlade. So ist es denn auch gekommen. Das 19.000 Quadratmeter große Gelände in Berlin-Mitte mit seinen 2.711 Betonquadern wird seit der feierlichen Einweihung 2005 für Modeshootings, als Kinderspielplatz und Skateboardparcours sowie für allerlei andere Vergnügungen ge nutzt. Eine davon sorgt jetzt in New York für einen kleinen Kunstskandal.

download Das Jewish Museum der Metropole zeigt seit November 2011 eine Fotoausstellung mit dem Titel Composed: Identity, Politics, Sex. Eines der Exponate stammt von dem amerikanischen Künstler Marc Adelman. Stelen (Columns) heißt die Montage aus Fotos, die Adelman von der schwulen Datingsite »gayromeo.com« he-runtergeladen hat. Dort finden sich Hunderte von Bildern knackiger junger Männer, aufgenommen am Holocaustmahnmal, das offenbar für diese Zwecke ein beliebtes Hintergrundmotiv ist.

Adelman machte daraus ein politisches Statement. Sein Kunstwerk stelle die Frage »Wie erfahren Schwule Verfolgung?«, sagt der 32-Jährige, der in seinen Arbeiten immer wieder seine eigene schwule und jüdische Identität zum Thema macht. In einem Video von 2007 beispielsweise sieht man ihn beim religiösen Akt des Teffilinlegens, während er sich gleichzeitig daran erinnert, wie er in einer Berliner Lederbar einen Kerl aufgerissen hat.

privatsphäre Sowas provoziert. Der Ärger, den Marc Adelman sich mit seinem neuesten Werk einhandelte, kam allerdings aus der schwulen Szene selbst. Einer der Männer, deren Bild von »gayromeo.com« heruntergeladen worden war, erkannte sich auf der Montage wieder und beschwerte sich: Er habe niemals seine Einwilligung dazu gegeben. Das Foto wurde entfernt. Um potenzielle weitere Probleme mit Kunden von »gayromeo.com« zu vermeiden, die ihre Privatsphäre verletzt sehen könnten, beschloss das Museum, Adelmans Montage aus der Ausstellung zu nehmen.

Das erzürnt den Künstler, der sich als Opfer von Zensur empfindet, zumal er vor der Entscheidung nicht konsultiert worden sei, wie er seinen Anwalt mitteilen ließ. Vielleicht um diese Zensur- oder gar Homophobievorwürfe zu entkräften, hat das Museum inzwischen an die Stelle von Stelen (Columns) eine thematisch verwandte Arbeit des Israelis Nir Hod gehängt:
I Swear heißt das großformatige Foto, das den Künstler in Zahal-Uniform als Dragqueen zeigt, mit Lippenstift, Lockenfrisur, Uzi, Tanach und großem Davidstern im Blingdesign um den Hals.

Kunst

Akademie-Präsidentin gegen Antisemitismus-Klausel

»Wir haben ein gutes Grundgesetz, wir müssen uns nur daran halten«, sagt Jeanine Meerapfel

 19.04.2024

Jehuda Amichai

Poetische Stimme Israels

Vor 100 Jahren wurde der Dichter in Würzburg geboren

von Daniel Staffen-Quandt  19.04.2024

Antisemitismus

Zentralrat der Juden äußert sich zu Hallervordens Gaza-Video

Das Gaza-Gedicht des Schauspielers wurde in den vergangenen Tagen massiv kritisiert

 19.04.2024

Streaming

»Bros«: Zwei Trottel, eine Bar

Die erste rein hebräischsprachige und israelische Original-Produktion für Netflix ist angelaufen

von Ayala Goldmann  18.04.2024

Interview

»Deutschland ist eine neurotische Nation«

Bassam Tibi über verfehlte Migrationspolitik, Kritik an den Moscheeverbänden und Ansätze für islamische Aufklärung

von Christoph Schmidt  18.04.2024

Verschwörungstheorien

Nach viel kritisiertem Israel-Hass-Video: Jetzt spricht Dieter Hallervorden

Der Schauspieler weist die Kritik an seiner Veröffentlichung zurück

 18.04.2024

Venedig

Israelhasser demonstrieren bei Kunstbiennale

Die Demonstranten forderten einen Boykott israelischer Künstler

 18.04.2024

Klassik

Eine Liebeserklärung an die Mandoline

Der israelische Musiker Avi Avital verleiht Komponisten wie Bach oder Vivaldi einen unverwechselbaren neuen Touch

von Christine Schmitt  18.04.2024

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 18.04.2024